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Archiv-Artikel

Visionen für eine neue Stadt

„Sprung über die Elbe“: Hamburg will im kommenden Jahrzehnt eine neue City gestalten und dadurch sein städtebauliches Gesicht grundlegend verändern

aus Hamburg Marco Carini

Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter kann seine Begeisterung kaum verhehlen, wenn er gedanklich zum „Sprung über die Elbe“ ansetzt. Innerhalb der kommenden neun Jahre soll die Hamburger Innenstadt mit den südlich gelegenen Stadtteilen Wilhelmsburg und Veddel zusammenwachsen und deren Wohnattraktivität dadurch sprunghaft gesteigert werden.

Die Hafencity, die derzeit im Rücken der historischen Speicherstadt entsteht, soll dabei nur der Anfang sein. Neue Brücken und Straßen sowie eine geplante U-Bahn-Trasse, aber auch eine Barkassenlinie, die direkt vom Hamburger zum Wilhelmsburger Rathaus führen könnte, sollen dabei die geplante Verschmelzung bewerkstelligen. Zur Zeit werden die Einzelprojekte in einer Machbarkeitsstudie auf ihre Realisierungschance überprüft. Noch Ende des Jahres sollen erste Ergebnisse vorliegen und der Öffentlichkeit präsentiert werden.

„Die Zukunft Hamburgs liegt im Süden“, betont auch Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU). Statt wie ein Krebsgeschwür immer weiter entlang der Hauptachsen nach außen zu wuchern, soll das angestrebte Wachstum der Stadt „im Innern organisiert“ werden. Die durch die Elbe und Hafenflächen von der Innenstadt getrennten Stadtteile Wilhelmsburg und Veddel hätten dabei die „größten Wachstumspotenziale“. Bislang gelten die beiden isoliert liegenden traditionellen Arbeiterviertel eher als Armenhäuser – Schmuddelimage inbegriffen.

Von der Innenstadt soll nun über die Hafencity und die bislang als Hafenerweiterungsgebiet vorgehaltene Elbinsel Kleiner Grasbrook sowohl eine U-Bahn-Linie wie eine Straße die Mitte der Stadt mit dem Süden direkt verbinden. Wilhelmsburg soll ein neues städtebauliches Zentrum erhalten, das aus einem künstlichen See besteht. Wasserflächen wie der Spreehafen, bislang für die Öffentlichkeit weitgehend unzugänglich, könnten geöffnet und etwa für die Nutzung von Hausbooten freigegeben werden.

Neue Arbeitsquartiere sollen ebenso entstehen wie neue Wohnsiedlungen und ausgedehnte Grün- und Erholungsflächen. Die Planungen beruhen auf den Ergebnissen einer international besetzten Architekten-Entwurfswerkstatt, die vergangenen Dezember in Hamburg stattfand. Deren 264 Seiten umfassende Dokumentation ist unter dem Titel „Sprung über die Elbe“ seit heute im Buchhandel erhältlich.

Den Zeitrahmen zur Realisierung der kühnen Visionen geben die Internationale Bauausstellung und die Internationale Gartenschau vor, die beide 2013 und in diesem Gebiet stattfinden sollen. Zudem liebäugelt die Hansestadt mit einer erneuten Olympia-Bewerbung für die Spiele 2016 oder 2020 – schon der Olympiapark der gescheiterten Bewerbung 2012 war in der Hafencity und ihrer Umgebung geplant. Die in den Schubläden verstaubenden Planungen könnten aber jederzeit wieder in Angriff genommen werden.

Gebremst wird die Umsetzung der städteplanerischen Vision vor allem durch die marode Kassenlage in der Hansestadt. Public-Private-Partnership heißt deshalb die Devise – ohne private Investoren fällt der Sprung über die Elbe ins Wasser.