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Archiv-Artikel

LONG PLAYING RECORD Jukebox - Der musikalische Aszendent

Groß-Pop, auch wenn man dagegen ist: Forever Young

Man kann Alphaville ja allerhand vorwerfen: klebrige Keyboard-Sounds, Missbrauch eines Kultfilm-Titels, pomadige Popperlocken, Lederjacken mit Schulterpolstern, die Weigerung, einfach still und leise zu verschwinden – und nicht zuletzt „Forever Young“, ein Song, ohne den bis heute keine zweitklassige Klassenparty komplett wäre. Aber eins darf man halt auch nicht vergessen: Eben jenes „Forever Young“ mag über die Jahre zu Tode genudelt worden sein, aber für eine Leiche gibt es immer noch einen prima Popsong ab – einen der besten, der je geschrieben wurde, einer von denen, die man ruhig perfekt nennen darf. Denn er vereint eine Melodie, die unweigerlich und aus dem Stand sofort im Ohr stecken bleibt, schon im Titel mit dem ersten und immer noch vornehmlichen Thema, für das die Popmusik überhaupt erst erfunden wurde. Nun weiß man ja, dass alles Lebendige vergänglich ist, und wer sich dieser Tatsache bislang noch erfolgreich verschlossen hat, der muss nur, sagen wir mal, warten, dass Günter Netzer auf seinem Fernsehschirm erscheint, um auf besonders bösartige Weise auf den Boden der biologischen Grundsätze zurückgebracht zu werden.

Aber gerade weil das Unweigerliche so allgemein bekannt ist, braucht es eine Macht wie die Musik, die einen für ein paar Minuten vom Gegenteil zu überzeugen versteht. Das ist dann großer Pop. Dieser große Pop wird zu endgültig perfektem Pop, wenn er das verführerische Gefühl, unsterblich sein zu können, ausdrücklich versöhnt mit dem Wissen um die Täuschung, der man gerade erliegt. Deswegen ist perfekter Pop meist melancholisch, so wie „Forever Young“.

Dass die Urheber dieses Meisterstücks eigentlich vollkommen unmusikalisch sind und ihre Songs am Computer zusammenschachtelten wie Vorschulkinder ein Haus aus Legosteinen, tut nicht wirklich etwas zur Sache. Auch nicht, dass Sänger und schlampiges Genie Marian Gold das Unternehmen mittlerweile im Alleingang und aus dem vornehmlichen Grunde betreibt, Brötchen zu verdienen, während er schon seit Jahrzehnten demonstrativ unter dem festzementierten Image als Teenie-Ikone leidet. Aber vielleicht war er es das wert, dieser eine Song, der perfekte. THOMAS WINKLER