: Flüchtlingsfamilie wird getrennt
Wieder soll abgeschoben werden. Ein muslimischer Serbe aus dem Sandschak. Weil er traumatisiert und psychisch krank ist, soll ein Arzt mitfliegen. Seine ebenfalls kriegstraumatisierte Frau und die drei Kinder leben noch in Berlin
Läuft alles so, wie es die Ausländerbehörde will, wird Murat Zigović heute abgeschoben. Der Muslim aus dem Sandschak, einer muslimischen Enklave in Serbien, soll nach Belgrad ausgeflogen werden. Zigović gilt, ärztlich bestätigt, als kriegstraumatisiert. Nur durch Medikamente sind seine psychischen Beschwerden derzeit unter Kontrolle. Damit nichts schief läuft aus Sicht der Ausländerbehörde, soll Zigović deshalb auf dem Flug von einem Arzt begleitet werden.
Für den Berliner Flüchtlingsrat und für Dieter Ziebarth, den Seelsorger des Abschiebegefängnisses in Köpenick, wo Zigović seit März einsitzt, ist dieses Vorgehen jedoch aus humanitären Gründen nicht zu verantworten. Mit der Abschiebung wird Zigović von seiner Familie getrennt, denn seine kriegstraumatisierte Frau und die drei Kinder leben in Berlin. Der 12-jährige Sohn und die 11-jährige Tochter gehen hier zu Schule. Das jüngste Kind ist erst fünf. Seit Zigović in Abschiebehaft sitzt, habe sich der gesundheitliche Zustand der Frau rapide verschlechtert, wird von Ärzten bestätigt.
Flüchtlingsorganisationen beobachten seit geraumer Zeit, dass von der Ausländerbehörde vermehrt Flüchtlinge abgeschoben werden, die schon lange hier leben. Das betreffe vor allem die Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Kritiker dieser Praxis meinen, dass das harte Durchgreifen der Ausländerbehörde in einem Zusammenhang stehe mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft tretenden neuen Zuwanderungsgesetz. Das bietet Ausländern mit ungesichertem Aufenthaltsstatus, die aber dennoch Härtefallgründe gegen eine Aufenthaltsbeendigung oder Abschiebung vorbringen können, eine größere Chance, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erwerben. Denn dann werden Härtefallentscheidungen, die es bisher bereits ohne rechtliche Bindung durchaus geben kann, auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Kriegstraumatisierungen, laufende ärztliche Behandlungen, die im Herkunftsland nicht fortgesetzt werden können, Trennung der Familie – all dies sind Härten, die eine Abschiebung aus humanitären Gründen unverantwortlich sein lassen. Mit der neuen Gesetzesregelung könnten die Menschen und ihre Einzelschicksale wieder verstärkt in den Vordergrund treten. Dies ist derzeit nicht der Fall, denn die Berliner Ausländerbehörde praktiziert eine Politik der eisernen Faust.
In Schleswig-Holstein wurde entschieden, dass es bis zum In-Kraft-Treten des neuen Zuwanderungsgesetzes keine Abschiebungen für potenzielle Härtefallkandidaten mehr gäbe. Die PDS will nun immerhin eine solche „Vorgriffsregelung“ auch für Berlin initiieren, wie Karin Hopfmann, flüchtlingspolitische Sprecherin der PDS, sagt.
Für Innensenator Ehrhart Körting (SPD), politisch Verantwortlicher der Ausländerbehörde, besteht nach Angaben seines Sprechers kein Handlungsbedarf. Zigović’ Asylbegehren sei abgelehnt, er sei nicht ethnisch verfolgt, seine Krankheit sei auch in Serbien behandelbar, und seine Familie habe auch schon einen Ausreiseantrag gestellt. WALTRAUD SCHWAB