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Eine Lobby für Wanderarbeiter

IG BAU gründet einen eigenen Verband für ausländische Arbeiter, um gegen Lohn- und Sozialdumping vorzugehen. Eingeladen sind auch illegal Beschäftigte. Gleichzeitig debattiert die Gewerkschaft über ausländerfeindliche Kampagne gegen Illegale

VON JAN OLE ARPS

Zum ersten Mal will eine deutsche Industriegewerkschaft einen eigenen Verband für ausländische Arbeitnehmer gründen. Die IG BAU stellt am 4.September auf dem außerordentlichen Gewerkschaftstag in Mannheim einen „Europäischen Verband der Wanderarbeiter“ vor. Die Situation von legalen ausländischen Arbeitskräften, aber auch von illegal Beschäftigten soll dadurch verbessert werden.

Eine Studie der Gewerkschaft hat ergeben, dass gut die Hälfte der zumeist osteuropäischen Entsendearbeiter bereit wäre, einem solchen Verband beizutreten. Der Verband, der formell völlig unabhängig von der IG BAU sein soll, wird über einen eigenen Stamm an Hauptamtlichen verfügen. Dieser soll sich zu einem großen Teil aus Angehörigen derjenigen Nationen zusammensetzen, die auf bundesdeutschen Baustellen vertreten sind.

Für den künftigen Generalsekretär des Verbandes, Matthias Kirchner, ist es wichtig, dass die Betreuung der Gewerkschaft mit MuttersprachlerInnen geleistet wird. „Das ist für das Vertrauen der Kollegen uns gegenüber gar nicht hoch genug einzuschätzen.“ Der Verband soll geltende gesetzliche und/oder tarifliche Regeln für Wanderarbeiter durchsetzen sowie Tarifverträge abschließen, die der Situation auch der nichtdeutschen Beschäftigten gerecht werden. Auch wenn der neue Verband sich zunächst vor allem an Entsendearbeiter aus dem europäischen Ausland richtet, sind ausdrücklich auch Kollegen, die über keine gültige Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis verfügen, eingeladen. Es gehe nicht um Ausgrenzung, sondern um Hilfe auch für illegal hier lebende Menschen, so Kirchner.

Bisher gibt es in der deutschen Gewerkschaftslandschaft keine Strukturen ausdrücklich für nichtdeutsche Beschäftigte. Und die aktuelle Kampagne der IG BAU gegen Lohndumping „Ohne Regeln geht es nicht“ ist durchaus umstritten: Kritiker werfen der Gewerkschaft vor, sie trage den Konflikt auf dem Rücken der illegalen Baubeschäftigten aus. Denn oft lässt sich bei Baustellenkontrollen nur der Einsatz von Schwarzarbeitern oder von Illegalen nachweisen.

Bestraft werden in diesen Fällen also nicht die Profiteure, sondern die Leidtragenden von Dumpinglöhnen: Gegen Schwarzarbeiter wird ein Bußgeld verhängt; Illegale werden der Ausländerbehörde oder der Polizei überstellt, die die Abschiebung einleiten. Bußgelder gegen Billigfirmen dagegen sind ein vergleichsweise seltenes Ergebnis der von der Gewerkschaft geforderten Kontrollen, Lohnnachzahlungen an betrogene Beschäftige ebenso.

Zur Verschleierung des „ganz normalen Lohndumpings“ nämlich gibt es zahlreiche Möglichkeiten. In der Regel erfolgt Lohnbetrug nicht durch Zahlung nominell zu niedriger Löhne. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn in Höhe von derzeit 10,36 Euro für Hilfs- und 12,47 Euro für Facharbeiter im Westen und 8,95 bzw. 9,65 (ab September 10,01) Euro in Ostdeutschland werde zwar ausbezahlt. Die tatsächliche Arbeitszeit ist aber oft wesentlich länger als vertraglich vereinbart. So wird auf zahlreichen Baustellen trotz anders lautender Verträge nicht 40, sondern 60 Stunden und mehr gearbeitet. Diese Art des Lohndumpings entzieht sich der Kontrolle.

Seit Mitte Juli nun ist die Kampagne „Ohne Regeln geht es nicht“ auch innerhalb der Gewerkschaft heftiger Kritik ausgesetzt. Vor allem eine von der IG BAU eingerichtete Hotline, bei der illegale Beschäftigung gemeldet werden kann, erregt die KritikerInnen. Sie sei ein Aufruf zur Denunziation von Kollegen, die Kampagne ein Beitrag zur Festigung ausländerfeindlicher Ressentiments. Man müsse stattdessen gemeinsam für gesetzliche und tarifliche Mindeststandards kämpfen.

Eine Abkehr von dieser Kampagne markiert die Neugründung des Verbands für Wanderarbeiter dennoch nicht, denn die läuft parallel weiter. Eine Konkurrenzsituation zwischen beiden Initiativen kann zumindest Matthias Kichner nicht erkennen. Für ihn ist die neue Initiative eine sinnvolle Ergänzung zur laufenden Kampagne: „Die Möglichkeit, Dumpingunternehmer zu kontrollieren, haben wir nicht, das dürfen nur die zuständigen staatlichen Institutionen. Wir arbeiten nun verstärkt mit von illegaler Beschäftigung Betroffenen zusammen.“

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