Zu bunt für die Bildung

Eltern von 100 Grundschulen wollen am Freitag in der Schulzeit mit ihren Kindern auf dem Rathausmarkt protestieren. Behörde spricht von Schulpflichtverletzung und droht mit juristischen Schritten. Bildungssenator Lange dürfte sogar sprechen

Von KAIJA KUTTER

Kein Laternelauf, kein Ausflug, keine Klassenreise, dafür Schule mal ab 7.30 Uhr, mal bis 14 Uhr und gestresste Lehrer. Das Arbeitszeitmodell benachteiligt besonders die Grundschulen. Der Elternrat der Bramfelder Grundschule Seeredder ruft deshalb für kommenden Freitag zu einer ungewöhnlichen Aktion auf. Eltern sollen ihre Kinder für einen Tag in der Schule entschuldigen, ihnen blaue Hosen und rote T-Shirts anziehen und mit ihnen zum „Alternativen Schultag“ auf den Rathausmarkt kommen.

„Das, was im Moment läuft, gefällt keinem. Wir müssen was tun“, erklärt der Elternratsvorsitzende Kullen Bronst, „wir sind besorgte Eltern, kein Sprachrohr der Lehrer.“ Doch die könnten seit Inkraftreten des Arbeitszeitmodell nur noch Dienst nach Vorschrift machen. „Das geht zu Lasten unserer Kinder.“ Zudem sei die Arbeit der Grundschullehrer mit Faktor 1,3 viel zu gering bewertet, kritisiert Eltersprecher Hans-Joachim Holzmann.

Dies habe zur Folge, dass Lehrer ihre gestiegene Stundenzahl im Schulvormittag nicht mehr unterkriegen und manche Schulen schon um 7.30 Uhr beginnen. Zum anderen stehe der Faktor im Widerspruch zu den neuen Bildungsplänen, die Binnendifferenzierung vorschreiben. Holtzmann: „Der Lehrer muss eine Stunde dreimal vorbereiten, für die Schwachen, für die Mittleren und für die Starken. Dafür bleiben ihm nur 10 Minuten.“ Das Grundschulbündnis fordert deshalb eine Anhebung des Faktors auf 1,5 und eine 105-prozentige Versorgung mit Lehrerstunden.

Den Aufruf der Bramfelder Schule unterstützen bislang rund 100 Schulen, Kullen Bronst rechnet mit 10.000 Teilnehmern. Der Tag soll einen richtigen Ausflugscharakter haben, die Kinder ab 9.30 Uhr auf dem Platz malen und spielen. Gleichzeitig soll eine Bühne für Musik- und Wortbeiträge aufgebaut werden, auf der – wenn sie möchten – auch Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) und Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Rede und Antwort stehen können. Ab 13 Uhr gibt es zum Abschluss eine Sonderverführung von „Das fliegende Klassenzimmer“ im UFA-Kino. Ein buntes Programm.

Zu bunt für die Bildungsbehörde. Sie sprach gestern prompt von „Schulpflichtverletzung“ und droht mit juristischen Schritten. „Wenn Leute sich einbilden, die Schulpflicht auszuhebeln, indem sie einen Fetentag auf dem Rathausmarkt machen, lassen wir das mal prüfen“, erklärt Pressesprecher Alexander Luckow.

Die Initiatoren indes hoffen, dass sich Eltern davon nicht einschüchtern lassen. Denn für einen Tag das Kind nicht zur Schule schicken, gehe in Ordnung. Das hat ihrerseits eine Prüfung von Paragraph 41 des Schulgesetzes ergeben. „Ich brauche nur in der Schule anzurufen und Bescheid zu geben, dass mein Kind nicht zur Schule kommt, ohne Angabe von Gründen“, erklärt Bronst, der Vater von zwei schulpflichtigen Kindern ist. Das Gesetz verpflichte nur zum regelmäßigen Schulbesuch. Bronst sagt: „Hier ist die Frage, wie man ‚regelmäßig‘ definiert. Die engagierten Eltern, die sich an dem Protest beteiligen, sind bestimmt nicht die Eltern der notorischen Schulschwänzer.“