: Ein Beitrag zur Genderfrage
betr.: „Kapitalisten zur Sonne, zur Freiheit“ von Jan Feddersen („Merkur“: Kapitalismus oder Barbarei), taz vom 13. 9. 03
Abgesehen davon, dass ich nicht sicher bin, ob der Artikel von Herrn Feddersen ernst gemeint ist, möchte ich bezüglich der „immens gewachsenen Freiheitschancen von Frauen unter kapitalistischen Verhältnissen“ Folgendes zu bedenken geben: Dass Frauen in unserem westlichen Kulturkreis vergleichsweise freier leben können als in vielen anderen, wird wohl kaum jemand in Frage stellen. Diese Tatsache aber auf kapitalistische Verhältnisse zurückzuführen, ist vollkommen absurd! Spontan drängt sich die Frage auf, ob denn wohl die im Kapitalismus und in der Arbeitslosigkeit angekommenen ostdeutschen Frauen nun endlich ihre „Freiheit“ genießen können?
Es ist doch wohl nicht zu bestreiten, dass in kapitalistischen Gesellschaften Arbeit geschlechtsspezifisch geteilt und hierarchisch angeordnet ist, und dass sich hierin – neben dem ethnischen – eines der größten Demokratiedefizite gegenwärtiger westlicher Gesellschaften zeigt! Mit der Entstehung des Industriekapitalismus ging die Trennung von Haus- und Erwerbsarbeit einher und die geschlechtsspezifische Zuweisung der Sphären. Den Frauen wurde „qua Natur“ der häusliche Bereich, einschließlich der Kindererziehung, den Männern die Rolle des außerhäuslich erwerbstätigen Familienernährers zugewiesen. Mit Sicherheit sind gewachsene Freiheitschancen von Frauen nicht kapitalistischen Verhältnissen zu verdanken, sondern – im Gegenteil – der Studentenbewegung, die Ende der Sechzigerjahre entstand (in der BRD war vermutlich die von der Kritischen Theorie der „Frankfurter Schule“ entwickelte Analyse des modernen Kapitalismus bedeutsam) und in deren Gefolge die Entstehung einer „zweiten Welle“ der Frauenbewegung. Darüber hinaus ist (weibliche) Freiheit insbesondere auch in unserer modernen westlichen Gegenwart zu relativieren, denn die instrumentelle Rationalität, die ursprünglich aus der männlichen Rolle innerhalb der Arbeitsteilung entwickelt und des Weiteren generalisiert wurde, repräsentiert nicht nur einen Gegensatz, sondern auch Abwertung des „mütterlichen“ Denkens (Empathie und Fürsorglichkeit) bzw. der intersubjektiven Wahrnehmung und Bewusstseinsbildung.
ANKE PIOTROWSKI, Kassel