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Archiv-Artikel

zahl der woche Historischer Wandel in Stromwirtschaft

Windkraft wird führende Alternativenergie

Die deutsche Stromwirtschaft vollzieht in diesen Wochen einen historischen Wandel. Erstmals seit der Elektrifizierung vor über 120 Jahren verliert die Wasserkraft ihre Rolle als führende erneuerbare Energie in Deutschland. An ihre Stelle tritt die Windkraft.

Die Zahlen des Bundesverbandes Windenergie belegen die Entwicklung: Die installierte Leistung aller Windkraftanlagen in Deutschland hat die 13.000-Megawatt-Marke überschritten. Da jedes installierte Megawatt Windkraft im deutschen Mittel 1,95 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugt, ergibt sich eine Summe von knapp über 25 Milliarden Kilowattstunden in einem mittleren Windjahr. Damit ist die jährliche Strommenge der Wasserkraftwerke überschritten.

Der Wandel ist Ergebnis einer rasanten Entwicklung der Windbranche, in der bereits 45.000 Menschen arbeiten. Im Jahr 2002 lag die Windkraft mit 17,2 Milliarden Kilowattstunden noch deutlich hinter der Wasserkraft mit 24 Milliarden. Die Führung der Windkraft hat aus historischer Sicht für die deutsche Stromwirtschaft einen fast revolutionären Charakter: Mehr als 100 Jahre lang, etwa bis um das Jahr 1990, war Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in Deutschland fast gleichbedeutend mit Wasserkraft. Andere regenerative Erzeugungsarten spielten kaum eine Rolle.

Die Windkraft dürfte ihre führende Position bei regenerativen Energien festigen. Trotz vorhandener Ausbaupotenziale an deutschen Flüssen und Bächen wird die Wasserkraft nicht mehr aufholen können. Das belegen die Zahlen: Die Windkraft hat in Deutschland allein im vergangenen Jahr um 6,7 Milliarden Kilowattstunden zugelegt, eine Dimension, die aus Sicht der Wasserkraft unerreichbar ist. So gehen übereinstimmend das Bundesumweltministerium und der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) von einem Potenzial von „nur“ 1,5 Milliarden Kilowattstunden jährlich aus, das durch Modernisierung und Erweiterung der großen Wasserkraftwerke in Deutschland zusätzlich zu erschließen ist. Größtes Einzelprojekt ist dabei Neu-Rheinfelden am Hochrhein, wo ein Neubau des bestehenden historischen Kraftwerks 380 Millionen Kilowattstunden im Jahr zusätzlich bringen kann.

Hinzu kommt freilich die Kleinwasserkraft, die nach Expertenschätzungen um mehrere Milliarden Kilowattstunden jährlich aufgestockt werden kann. So rechnet die Arbeitsgemeinschaft der Kleinwasserkraftwerke in Baden-Württemberg durch den Ausbau von Kleinkraftwerken allein im Südwesten Deutschlands mit einem Potenzial von 2,6 Milliarden Kilowattstunden im Jahr.

So beachtlich diese Beträge sind – angesichts der Dynamik der Windkraftbranche werden sie aber stets hinter dem Wind zurückbleiben. Denn alleine in diesem Jahr wird die Windenergie wieder um rund sieben Milliarden Kilowattstunden zulegen. Offen bleibt hingegen, ob irgendwann die Biomasse, die heute 4,2 Milliarden Kilowattstunden jährlich bringt, die Führung unter den Regenerativen übernehmen wird – oder eines Tages gar die Sonne, die aktuell noch bei 200 Millionen Kilowattstunden im Jahr liegt.

BERNWARD JANZING