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KommentarStoiber bleibt, was er ist

Es war kein schöner Anblick. Edmund Stoiber schien Sonntagabend fast vor Stolz zu platzen. Und das auch noch mit Recht: Das Ergebnis der Landtagswahl in Bayern ist sein persönlicher Triumph. Alle Warnungen seiner Gegner vor einer Gefahr für die Demokratie haben nichts genutzt. Die Bayern verfuhren nach ihrer bewährten Devise („Mir san mir“) und ließen sich keine Angst vor einer Übermacht der CSU einreden. Von Rot-Grün in Berlin schon gar nicht. Im Gegenteil.

 Die Freistaatsbürger schenkten Stoiber einen Sieg, den er getrost „historisch“ nennen kann. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik verfügt eine Partei, seine CSU, jetzt über eine Zweidrittelmehrheit der Sitze in einem Landesparlament. So weit, so furchterregend – für die Opposition in Bayern, die Mühe haben wird, überhaupt noch Gehör zu finden. Der Rest der Republik aber muss sich keine großen Sorgen machen.

 Stoiber wird seine neue Machtfülle in Bayern kaum dafür nutzen, um das Land mit offensichtlich reaktionären Gesetzen zu verschrecken. Auch im Bundesrat ist eine totale Blockade durch die CSU bei den anstehenden Reformen nicht zu erwarten. Schließlich hat Stoiber seine Ambitionen auf ein hohes Staatsamt in Berlin noch nicht aufgegeben. Schon seine ersten Äußerungen auf der bierseligen Wahlparty in München machten eines deutlich: Der Mann greift noch mal an. Den gestrigen Sieg interpretiert der CSU-Chef als gelungene Revanche für die verlorene Bundestagswahl 2002. Mehr denn je denkt Stoiber: Ich bin besser als der Schröder, die Niederlage vor einem Jahr hat nur die CDU verschuldet, kurzum: Ich verdiene eine zweite Chance. Doch die wird er nicht bekommen – da kann er Angela Merkel noch so oft zum Frühstück nach Wolfratshausen bitten.

 Die CDU-Chefin ist nicht mehr so schwach wie damals, als ein Gespräch mit Edmund Stoiber (und ein Anruf aus dem Skiurlaub von Roland Koch) genügten, um sie zum Verzicht auf die Kanzlerkandidatur zu zwingen. Als Fraktionschefin im Bundestag hat sie sich inzwischen auch bei früheren Stoiber-Fans in der CDU Respekt verschafft. Vor allem aber hat sie nun ein eigenes Forum und eine ganz andere Rolle: Sie ist die Oppositionsführerin und wird es bis 2006 unangefochten bleiben – wenn sie bis dahin keine großen Fehler macht. Wenn sie schlau ist, hält sie es wie Gerhard Schröder: Was sind schon zwei Drittel CSU im Landtag? In Berlin spielt die Musik. Und da hat Merkel mehr als zwei Drittel – in der Union. LUKAS WALLRAFF

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