: Tanz gegen Gewalt
Jugendliche aus Norddeutschland proben im Bürgerhaus Oslebshausen für ein HipHop-Musical mit Rap, Breakdance und Graffiti: „Silent Dance“
Gott ist ein DJ, die Welt eine Bühne, und Engel und Teufel stehen in baggy pants an der Rampe. Sie rappen über Liebe und Leid der Menschen: In „Silent Dance“, dem „Musical gegen Rassismus und Gewalt“, bringt HipHop die Welt in Ordnung.
Knapp zwanzig Breakdance-, Rap- und Graffiti-Künstler zwischen 16 und 27 Jahren proben zurzeit im Bürgerhaus Oslebshausen für die Uraufführung am 2. Oktober. Zu den wöchentlichen Proben reisen sie aus ganz Norddeutschland an.
Dass ein so ambitioniertes Projekt ausgerechnet im Bremer Randbezirk Oslebshausen auf die Bühne gebracht wird, ist kein Zufall. Die Formation „Unique North Style“, die sich dort vor gut zehn Jahren zusammengefunden hatte, war 2001 Deutscher Meister und Vize-Weltmeister im Break-Dance. Die Gruppe hat sich inzwischen zwar aufgelöst, aber nie ganz aus den Augen verloren.
Einer von ihnen, der 27-jährige Arton Velen, tanzte zwei Jahre lang auf Berliner Musical- und Zirkusbühnen. Zurück in Bremen, sprach ihn Bürgerhausleiter Ralf Jonas darauf an, ein größeres Break-Dance-Projekt auf die Beine zu stellen. „Die Idee war, einmal von der reinen Battle-Form wegzugehen“, sagt Jonas.
Velen hatte schon länger den Traum von einem HipHop-Musical: „Sowas à la Westside Story – nur viel besser.“ So, wie das Musical Leonard Bernsteins den Gesang mit Tanz und Schauspiel verbindet, will Velen alle vier Elemente der HipHop-Kultur – Breakdance, Rap, DJing, Graffiti – auf die Bühne bringen.
Für das Ensemble gewann Velen das ehemalige „Unique North Style“-Mitglied Caner Özgürens als DJ, sprach ehemalige Breakdancer aus dem Bürgerhaus an, suchte Kontakt auf Battles und Konzerten.
Nicht alle Beteiligten kommen vom Break-Dance. Aber alle haben Tanzerfahrung: Die Auszubildende Britta aus Oldenburg ist „in der Disco angesprochen worden“. Sie stand bisher als Cheerleaderin auf der Bühne.
Breakdance, Ende der 70er Jahre in den Hinterhöfen von New York entstanden, ist, wie Rap, ein Ausdruck von sozialem Protest und spielt sich üblicherweise in der Form eines Wettkampfes ab. Die Wahl der Bewegungen ist völlig frei – einzige Regel: Der Gegner darf nicht berührt werden. Die Tänzer können so auf gewaltfreie Art ihren Aggressionen Luft verschaffen und Anerkennung ernten.
Die Formation „Unique North Style“ machte sich schon früh stark für diesen sozialpädagogischen Aspekt des HipHop: In einer Sendung von Spiegel TV über Gewalt auf der Straße vertraten sie die Meinung, dass Breakdance Aggressionen unter Jugendlichen abbaue. Derselbe Gedanke stecke auch hinter der Story der Produktion „Silent Dance“, sagt Velen.
Die Vorlage ist simpel und folgt dem Erfolgsrezept von Shakespeares „Romeo und Julia“. Im HipHop-Musical kämpfen allerdings die Amerikaner, die in „Silent Street“ leben, gegen die zugezogenen Puertoricaner. Die Amis sind die bösen Rassisten, die Immigranten wehren sich gegen ihre Vertreibung – und mittendrin verlieben sich eine Amerikanerin und ein Puertoricaner.
Schließlich kommt es zum „Hass-Battle“, dem endgültigen Kampf der Bosse. Ob es ein Happy End für die Multikulti-Fans gibt, verrät Velen nicht.
Die Figuren, die in „Silent Street“ leben, drücken ihre Gefühle und tragen ihre „Battles“ schweigend, rein durch ihren Tanz aus. Stoppt der DJ die Musik, erstarren sie wie Salzsäulen: in der Fachsprache als „Freeze“ bekannt. Dann treten – in einer Mischung aus Sportkommentator und Brecht‘schem Erzähler – der gute und der böse Engel auf. Sie liefern sich Wortgefechte über das Geschehen.
Am schwierigsten sei die Darstellung der Charaktere gewesen, sagt Velen. Er hat die Szenen choreografiert. Jede Hauptfigur wird in einer kurzen Tanzszene vorgestellt. „Schauspiel und Mimik sind sogar wichtiger als das Tanzen“, findet die 16-jährige Schülerin Katie aus Delmenhorst. „Wenn man erst den Charakter draufhat, ergibt sich der Rest von selbst.“ Popstar-Allüren gebe es nicht, beteuert Britta. „Denn wir wollen ja als Gruppe groß rauskommen.“
Die setzt sich aus den verschiedensten Nationalitäten zusammen. „Heute spricht jeder von Multikulti“, so Jonas, „hier kann man sehen, dass es wirklich funktioniert.“ Die Jugendlichen seien mit ungeheurer Disziplin bei der Sache. Jeden Donnerstag ist Probe, in den Schulferien üben sie schon mal fünf Stunden am Stück.
Für das Projekt, das vor political correctness nur so strotzt, bekam Jonas vom Kultursenator 2.000 Euro Unterstützung, weitere 2.000 Euro vom Fonds Soziokultur. Den Rest bringe das Bürgerhaus selbst auf. Mit 6.000 Euro sei das Musical immer noch „eine absolute Low-Budget-Produktion“, so Jonas. Er hofft, dass das Stück noch Gewinn einbringen werde.
Zur Uraufführung am 2. Oktober im Bürgerhaus sind Event-Agenturen und Leiter von Großraumdiscos aus Hamburg und Berlin eingeladen. Für weitere Aufführungen in Bremen plant Jonas, den Schlachthof zu mieten, „den kriegen wir auf jeden Fall voll“. Er könne sich sogar vorstellen, das Musical auf Schulhöfen zu performen, wo das Thema Rassismus und Gewalt besonders aktuell sei. Sibylle Schmidt