: Bäumchen wechsel dich
Falls die Verhandlungen der Kulturbehörde nicht wieder scheitern, steht mit dem Stuttgarter Staatstheater-Intendanten Friedrich Schirmer ein geschickter Organisator als Nachfolger Tom Strombergs bereit
Ein trauriges Verhandlungsmuster beginnt die Hamburger Kulturszene zu zermürben, das fatal der Kultursenatorinnen-Suche gleicht, die Bürgermeister Ole von Beust weiland betrieb: Kandidat auf Kandidat wird verschlissen, Name um Name öffentlich lanciert, als wolle man den Verhandlungserfolg per Magie erzwingen.
Auch Dana Horáková scheint nicht aus Fehlern zu lernen, bleibt sie doch gefangen in dem Wunsch, von „weit gediehenen Verhandlungen“ zu schwärmen, die dann oftmals doch nichts fruchten. Respektlos kurzfristig hatte ihr zum Beispiel der Bochumer Intendant Matthias Hartmann, erklärter Favorit für die Stromberg-Nachfolge, einen Korb gegeben. Doch anstatt nun mit Muße weiterzusuchen, hat Horáková sofort den nächsten Joker gezogen – den Stuttgarter Intendanten Friedrich Schirmer. Die Verhandlungen seien weit gediehen, heißt es über den 52-jährigen Chef des Staatstheaters, und er selbst hat ausdrücklich Interesse bekundet. All dies traf allerdings auch auf Hartmann zu, der letztlich gewiefter pokerte als die Senatorin.
Doch wer weiß – vielleicht hat der gebürtige Kölner, seit zwölf Jahren am Stuttgarter Haus, tatsächlich Lust auf den Hamburger Schleudersitz. Womöglich hofft er, dass er den behördlichen Kennzahlen-Wahn besser parieren kann als sein Vorgänger. Vielleicht unterschätzt der Aufstiegswillige aber auch die Schärfe der hiesigen kulturpolitischen Diskussion: Auslastungszahlen – Schirmer schafft derzeit 85 Prozent – hatte die Senatorin auch hier, wie bei Hartmann, als wichtiges Argument ins Feld geführt.
Andererseits braucht sich Schirmer Bangheit nicht vorwerfen zu lassen: Wie Thalia-Chef Ulrich Khuon sucht Schirmer einen Mix aus konventionellen Stoffen – unbekannteren Stücken etwa von Horváth, Ibsen und Hebbel – und jungen Regisseuren. Mit Martin Kusej, Jürgen Kruse, Christoph Loy und dem inzwischen am Thalia installierten Stephan Kimmig hat Schirmer bereits zusammengearbeitet. Er ist willens und fähig, jungen Talenten einen Schutzraum und Zeit zur Entwicklung zu gewähren. In Hamburg könnte ihm zudem zugute kommen, dass er sich nicht zwischen Inszenieren und Arithmetik verliert, sondern vor allem als Organisator agiert, der stets durch geschicktes Kalkulieren und Verhandeln aufgefallen ist.
Praktizierbar wäre der Wechsel nach Hamburg zweifellos: Schirmers Stuttgarter Vertrag endet zwar erst 2006, aber der Intendant hat bis Ende 2003 ein einseitiges Vorkündigungsrecht. Er könnte also pünktlich zur Stromberg-Ablöse 2005 hier beginnen. PETRA SCHELLEN