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Archiv-Artikel

Das Desinteresse brechen

Umfrageergebnisse: Nachhaltige Unternehmensführung ist kein Handicap. Viele Anleger setzen sich offenbar wesentlich intensiver als früher mit der Frage auseinander, wo und wie sie ihr Geld anlegen

Die Börse scheint sich in diesen Wochen wieder leicht zu beleben – zumindest tendenziell. Viele Anleger haben offenbar die Zeiten der Krisen und Verluste dazu genutzt, sich nicht allein über Renditen Gedanken zu machen, sondern auch darüber, in welche Unternehmen sie aus politischen und ökologischen Gründen investieren. Das legt eine Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts (DAI) nahe, die sie gemeinsam mit dem Institut für Ökologie und Unternehmensführung an der European Business School durchführte. Titel: „Nachhaltigkeit und Shareholder Value aus Sicht börsennotierter Unternehmen“.

Darin konzediert DAI-Vorstandsmitglied Rüdiger von Rosen, dass „sich die Anleger intensiver als früher mit der Frage auseinander setzen, wo und wie sie ihr Geld anlegen“. Das gelte zunehmend auch für die „nachhaltigkeitsorientierten Investmentfonds“. Zwar schiebt er vor dieses beim DAI zumindest nach außen lange Zeit als Fremdwort gehandelte Wortgetüm noch ein „so genannt“ – aber immerhin: Deren Existenz wird wahrgenommen. Denn fragte man dort vor nicht langer Zeit nach Einschätzungen zum nachhaltigen Investment, erhielt man nur eine lakonische Antwort: Das gebe es nicht. Die Studie spricht an anderer Stelle von „prinzipiengeleitetem Investment“.

Die an nachhaltiger Unternehmensführung orientierten Fonds hätten, so die Untersuchung, in den letzten Jahren „einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt“. Inzwischen gebe es allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz über 90 Fonds, die bei der Kapitalanlage entsprechende Kriterien berücksichtigten. Die Anbieter orientierten sich an zwei Zielen: angemessene Rendite für den Anleger sowie eine soziale und ökologische Performance im Einklang mit den Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung.

Dies betrifft insbesondere die börsennotierten Unternehmen: Auf der einen Seite erschließe sich ihnen „eine neue Gruppe“, die „gezielt in Unternehmen investieren, die sich entsprechend ihrer ethischen oder nachhaltigkeitsbezogenen Wertvorstellungen“ verhielten. Gleichzeitig sei die Aufnahme in einen Nachhaltigkeitsfonds oder -index für die Unternehmen „mit Reputationschancen verbunden“. Die Studie wollte nun die Bedeutung des „Leitbilds der Nachhaltigkeit“ aus Sicht börsennotierter Unternehmen in Deutschland dokumentieren.

Auffällig dabei: Die Unternehmen stehen diesem verhältnismäßig neuen Markt „mit einer Mischung aus Aufgeschlossenheit und Unsicherheit“ gegenüber. Als Basis der Analyse dienen die Antworten von 96 Unternehmen. Knapp die Hälfte davon, so ein Ergebnis, sehe die Aufnahme in einen Nachhaltigskeitsfonds oder -index als „wichtiges Ziel“. Besonders Großunternehmen aus „umweltsensiblen Bereichen“ messen dem eine „hohe Bedeutung“ bei. Gleichwohl verfolge nur ein kleiner Teil aktiv, ob und wo der Betrieb gelistet sei. Ein Großteil stelle sich aber darauf ein, dass „ihre Verantwortung im sozialen und ökologischen Bereich noch zunehmen“ werde. Immerhin sehen mehr als drei Viertel der Befragten zumindest langfristig einen „grundsätzlich positiven Zusammenhang“ zwischen ihren Umweltaktivitäten und dem Unternehmenswert. Betrachtet man allein den Umweltaspekt, meinen 57 Prozent der Unternehmen, dass sich das Streben nach einer besseren Umweltperformance positiv auf den unternehmerischen Erfolg auswirke.

Noch etwas schwerer wiegen die sozialen Aspekte: Knapp 72 Prozent der befragten Unternehmen vertreten der Studie zufolge die Ansicht, dass „das Streben nach einer besseren Sozialperformance auch zu einer Verbesserung der ökonomischen Performance“ führe. Als „Sozialperformance“, so die Autoren, subsumiere man die personalpolitischen Aktivitäten, aber auch das „Verhältnis zu externen Gruppen“, etwa zu Anwohnern und Kunden. Doch zu den „externen Gruppen“ zählt die Studie ebenso die Aktionäre. Insofern ist dieser Anteil von nur 72 Prozent erstaunlich – hieße das doch im Umkehrschluss, 28 Prozent der Firmen scheren sich nicht sonderlich um ihre Besitzer.

Statistisch mag man der Studie zwar einen hohen Stellenwert einräumen, real ist die Rücklaufquote eine Katastrophe: Von 964 angeschriebenen börsennotierten Unternehmen befleißigten sich gerade mal 97, also zehn Prozent, den ihnen zugegangenen Fragebogen auszufüllen und zurückzuschicken – obwohl eine anerkannte Institution wie das DAI dahinter stand. Ein Unternehmen lief außer Konkurrenz, sodass 96 Antworten ausgewertet wurden. Bei der Interpretation der Ergebnisse, so bemerken die Autoren zudem selbstkritisch, seien noch zwei Aspekte zu beachten: Mutmaßlich hätten vor allem jene Firmen geantwortet, die sich „für das Thema interessieren und aktiv damit auseinander setzen“. Hinzu kommt das „Phänomen des sozial erwünschten Antwortverhaltens“ – die Befragten antworten tendenziell so, wie sie denken, dass die Mehrheit der Gesellschaft es erwartet.

Anleger sollten also stärker ihre Macht als Miteigner nutzen, um das offensichtlich noch immer vorhandene Desinteresse an nachhaltiger Wirtschaftsweise in den Chefetagen zu brechen. Aktionäre können „ihre“ Firmen auf den Hauptversammlungen außer zu bilanziellen Daten direkt nach dem ethischen, ökologischen und sozialen Engagement befragen. Wenn Vorstände sich dann ziellos in Leerformeln verlieren, weiß man, was zu tun ist: strong sell. ANDREAS LOHSE

Die 60 Seiten starke Studie kann man im Internet herunterladen oder in Papierform bestellen: www.dai.de