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Archiv-Artikel

Hoffnung auf Frieden in Nadschaf

Die Kämpfer des militanten Predigers Muktada al-Sadr haben im Strom unbewaffneter Pilger die Imam-Ali-Moschee in Nadschaf verlassen. Ihre Waffen allerdings haben nur wenige abgegeben, al-Sadr selbst bleibt ein freier Mann mit Einfluss

AUS BAGDAD INGA ROGG

In Nadschaf ist der Frieden ein Stück näher gerückt. Am späten Freitagvormittag zogen die Kämpfer der Mahdi-Armee aus der Imam-Ali-Moschee ab. Damit folgten sie einem Abkommen, das in der Nacht zwischen Großajatallah Ali al-Sistani und Muktada al-Sadr erreicht worden war. Über die Lautsprecher der Moschee ließ al-Sadr eine Erklärung verlesen, in der er die Kämpfer aufforderte, die Waffen niederzulegen und das Heiligtum zusammen mit den Pilgern zu verlassen. „Wir haben unseren Anhängern den Befehl gegeben, ins zivile Leben zurückzukehren“, sagte der Al-Sadr-Vertraute Ahmed al-Scheibani.

Um der Miliz den Rückzug zu ermöglichen, war ausgehandelt worden, dass Pilger, die am Donnerstag dem Friedensappell von al-Sistani gefolgt waren, in die Moschee dürfen. Schweigend zogen tausende Gläubige unter dem Geleitschutz der Polizei am frühen Morgen zum Gebet an das Grabmahl von Imam Ali. Zusammen mit den Pilgern verließen dann ab 10 Uhr auch die Milizionäre den Moscheekomplex. Diejenigen unter ihnen, die schwarze Kleidung trugen, das Erkennzeichen der Al-Sadr-Anhänger, tauschten diese gegen Zivilkleidung aus. Anschließend wurden die Schlüssel für das Heiligtum an Sistani ausgehändigt.

Der Aufforderung zur Entwaffnung kamen offenbar aber nur wenige Milizionäre nach. Viele Kämpfer versuchten vielmehr, ihre Waffen in Taschen und Säcken zu verbergen, zudem sollen sie an verschiedenen Orten in der Altstadt Verstecke angelegt haben. Trotz dieser Verletzung des Abkommens hielt sich die Polizei zurück.

Kurz nachdem die Mahdi-Kämpfer die Moschee räumten, begannen auch die US-Amerikaner mit dem Rückzug aus der Altstadt, dort haben nach Augenzeugenberichten inzwischen die irakischen Sicherheitskräfte die Kontrolle übernommen. Drei Wochen hatten sich US-Truppen und Milizionäre erbitterte Kämpfe geliefert, bei denen hunderte Milizionäre getötet worden sein sollen. Wie viele Personen tatsächlich ums Leben kamen, lasse sich nicht feststellen, erklärte das Internationale Komitee des Roten Kreuzes kürzlich. Noch am Tag von al-Sistanis Rückkehr forderte Gewalt in der Pilgerstadt und ihrer Schwesterstadt Kufa dutzende Todesopfer.

Im Gegenzug für sein Einlenken hat die irakische Interimsregierung al-Sadr, gegen den auch ein Haftbefehl wegen Beteiligung am Mord an einem liberalen Geistlichen vorliegt, Straffreiheit zugesichert. „Er ist ein freier Bürger und kann im Irak tun, was immer er will“, sagte Staatsminister Qasim Daud auf einer nächtlich anberaumten Pressekonferenz. Als Zeichen des guten Willens ließ die Polizei am Freitag zudem den zwei Tage zuvor festgenommenen Al-Sadr-Vertrauten Ali Smeisem wieder frei. Der Friedensplan sieht zudem den Abzug der Amerikaner aus Nadschaf vor, zusammen mit Kufa soll es zur waffenfreien Zone werden. Damit zeichnet sich möglicherweise eine Lösung für die Pilgerstadt ab, die schon kurz nach dem Sturz des Saddam-Regime ins Auge gefasst wurde – demnach sollte sie einen Sonderstatus ähnlich wie der Vatikan erhalten und der Kontrolle der Hawza, den höchsten Geistlichen und ihren Seminaren unterstellt werden. Darüber hinaus fordert der Sistani-Plan Entschädigungen für die infolge der Gefechte entstandenen Sach- und Personenschäden.

Im Grunde erfüllt der Plan damit genau die Forderungen, die von der Regierung Allawi gestellt worden waren. Trotzdem kann sie sich in dem Ringen allenfalls als Teilsiegerin sehen. Nachdem die UNO eine Vermittlung in dem Konflikt ablehnte und andere Mittler keinen Erfolg hatten, musste sie das Feld dem höchsten schiitischen Geistlichen im Land überlassen. Darüber hinaus ist sie mit ihrer Forderung nach einer Kapitulation der Mahdi-Kämpfer gescheitert. Al-Sadr selbst, für seine Wortbrüchigkeit berüchtigt, hat sich bislang nicht zu dem Abkommen geäußert. Zwar hat er sich im Machtkampf mit dem von der Mehrheit der Schiiten des Zweistromlands hoch geachteten Sistani geschlagen gegeben, der Regierung Allawi aber nicht und schon gar nicht den mit ihr verbündeten Amerikanern. Seine Milizionäre hat er fürs Erste nach Hause geschickt, von wo er sie aber jederzeit zu neuen Schlachten rufen kann.