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Archiv-Artikel

Das wechselnde System Ole

Vor dem Überseeclub zieht Bürgermeister von Beust (CDU) die Bilanz seiner zweijährigen Regierungszeit und gibt die Neuorientierung für die Zukunft vor: Verwaltung, Nordstaat, Soziales, Zuwanderung – allüberall Systemwechsel

von SVEN-MICHAEL VEIT

Er ist noch immer die erste Adresse, wenn Hamburger Bürgermeister Grundsätzliches, ja programmatisch Zukunftsweisendes mitteilen wollen: Der Überseeclub, diese gediegene Vereinigung jener, die mit Hafen und Handel das begründet zu haben meinen, was die Freie und Hansestadt so einzigartig mache. Klaus von Dohnanyi (SPD) prägte hier 1986 den Begriff, der seitdem zum festen Wortschatz jedes Staatsmannes gehört: Standort. Ole von Beust (CDU) macht da keine Ausnahme. Zwei Jahre Schwarz-Schill bilanzierte er, zwei weitere Jahre Rechts-Senat stellte er in Aussicht am gestrigen Abend im großen Saal der Musikhalle. Und worüber auch immer er sprach, ein Begriff fehlte nie: Systemwechsel.

Viele Systeme, viele Wechsel

Das Definieren des Senatskonzeptes der Wachsenden Stadt sei so einer, davon zeugten die mannigfaltigen Projekte innerhalb und außerhalb der Hafen-City. Die „Hinwendung“ zu einer „architektonisch provozierenden Baukunst“, zu etwas, über das „weltweit“ gesprochen werde, gehöre ebenso dazu. Was ihm vorschwebt, verriet von Beust zwar nicht, die Dimensionen jedoch, in denen er denkt, schon: So etwa wie die Oper von Sydney oder der Triumphbogen in Paris müsse es schon sein.

Auch von Menschen sprach der Bürgermeister, und auch hier sei der Systemwechsel notwendig. Ein „modernes Zuwanderungsrecht“, wie es sein Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) vorige Woche ventiliert hatte, sei nun überfällig. Offen sei die Stadt für „Leistungsträger aus aller Welt“, Akademiker oder Studierende zumindest, und die dürften keinesfalls durch „ausländerrechtliche Bürokratie“ abgeschreckt werden. Sonst könne Hamburg kaum „im internationalen Wettbewerb“ mithalten, dem es sich „mutig“ zu stellen gelte.

Systemwechsel – auch in dem, was hierzulande noch immer als Sozialpolitik etikettiert wird. Arbeitslosigkeit sei nur noch für eine Übergangszeit zu finanzieren, und im Gesundheitswesen dürften nur noch „teure und lebensbedrohliche Risiken“ abgesichert werden. Für die Grundsicherung sollten „kollektive Systeme“ ausreichen, darüber hinaus jedoch, so der Bürgermeister, sollten die Menschen selbst über den „Grad ihrer Absicherung“ entscheiden. Zwar solle „niemand hungern und frieren“ müssen und niemand solle „ins Bodenlose fallen, wenn er arbeitslos wird. Alles Weitere aber müsse der „Entscheidungsfreiheit des Einzelnen und dem Markt unterliegen“. Denn eine „Reform der Sozialsysteme“ reiche nicht aus, ein „Wechsel“ müsse es schon sein.

Blicke über Tellerränder

Und bei all dem müsse über Tellerränder geblickt werden, gab von Beust zu bedenken. Nicht ungern sieht er zum Beispiel die wieder auflebende Diskussion über einen Nordstaat (siehe Debatte Seite 24), im Hinblick auf die Befindlichkeiten der Nachbarn aber formuliere er „zurückhaltend: An Hamburg wird eine Neugliederung nicht scheitern.“

Doch analog dazu müsse der Systemwechsel auch intern vorgenommen werden. Die Hamburger Verwaltungsstruktur mit Senat und Bürgerschaft, Bezirksversammlungen und Ortsämtern „ist nicht mehr zeitgemäß“, befindet von Beust. Stattdessen schwebt ihm eine „zweistufige“ Struktur vor: Gesamtstädtisches solle im Rathaus geregelt werden, Lokales in 15 bis 20 Bezirken, die für Bürgernähe sorgten.

Dies werde zu mehr „Eigenverantwortung“ der BürgerInnen führen, glaubt der Meister der Bürger, und es werde positive Folgen haben: „Die Menschen nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand, der Staat zieht sich zurück, und die Probleme werden schneller gelöst.“

Das wäre in der Tat ein Systemwechsel.