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Archiv-Artikel

Wenn der Büffel des Nomaden die Ernte frisst

In Afrikas Sahelzone gibt es häufig gewaltsame Landkonflikte zwischen Viehzüchtern und Bauern. Im Tschad werden sie immer blutiger – aber Versuche, gewaltlose Konfliktlösungsmechanismen zu gründen, sind bisher gescheitert

SARH taz ■ Der Viehhirt machte kurzen Prozess. Um freies Feld für seine Büffelherde zu bekommen, brachte er den Dorfchef um, der gerade seine Ernte einfuhr, und überließ dessen Getreide dem Vieh. Die Bewohner des Dorfes Bekamba im Süden des Tschad schlugen zurück: Sie töteten einen jungen Hirten, der zufällig gerade im Dorf weilte, und als sie die Leiche ihres Chefs vom Feld holten, töteten sie drei weitere Hirtenfrauen.

Die Rache der Hirten war fürchterlich. Um fünf Uhr früh am nächsten Morgen rückten sie hoch zu Ross in Bekamba ein – 200 Pferde mindestens, erzählte später der Kantonschef, besetzt von Reitern mit Speeren und Gewehren. Sie töteten vier Bauern, darunter eine Frau. Kantonschef Yadji Madjitoloum fühlte sich machtlos angesichts der Kavallerie-Invasion. Er schickte einen Boten, um die Gendarmerie zu holen.

Der Gendarmerieposten war aber 56 Kilometer weit weg, und die Gendarmen hatten kein Geld für Benzin. Also gingen sie zu Fuß los. Nur zwei von ihnen waren schneller, denn sie beschlagnahmten Fahrräder von Bauern und waren schon um 23 Uhr am Tag des Hirtenangriffs im Dorf. Zwei Gendarmen gegen hunderte bewaffnete Hirten – das nützte nichts, aber immerhin brachten sie die Angreifer durch die Drohung mit Schusswaffeneinsatz davon ab, den Kantonschef umzubringen. Noch bevor die anderen Gendarmen ihre Wanderung beendet hatten, waren die Hirten abgezogen. Sie hinterließen fünf Tote und ein paar angezündete Hütten und Getreidespeicher und nahmen 112 Kühe mit.

Erst einige Zeit später kam der Staat. Der Präfekt, der Militärkommandant der Region, der Gendarmeriechef – alle besuchten Bekamba und bestätigten, dass die Dorfleute in Angst lebten. Konkrete Maßnahmen trafen sie nicht.

Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Viehzüchtern sind im gesamten Sahel-Gürtel Afrikas häufig. Im Tschad haben sie seit der großen Trockenzeit der 70er-Jahre an Schärfe zugenommen: Nomaden aus dem wüstenhaften Norden des Landes zogen in den fruchtbaren Süden und ließen sich außerhalb der Dörfer nieder, von wo aus sie ihr Vieh in die Felder schickten. Die Herden wuchsen schnell, weil es viel zu fressen gab. Die Bauern zogen sich aus der Affäre, indem sie mit Brandrodung neues Ackerland urbar machten. Das brachte zwar kurzfristig einen Anstieg der Hirseernten, langfristig aber eine Degradierung des Bodens.

Nach einer Weile wurde klar, dass es in diesen Gebieten nicht überall genug Platz für Bauern und Hirten gibt. Die Kriege des Tschad und die Ausbreitung moderner Schusswaffen trugen dazu bei, diesen latenten Konflikt zu verschärfen. In den 80er-Jahren, als Frankreich mit seiner Armee die Regierung des Tschad gegen libysch unterstützte Rebellen unterstützte, war Tschad faktisch geteilt, und es entstand eine Entfremdung zwischen christlichen, sesshaften Bauern und muslimischen, nomadischen Viehzüchtern, ausgenutzt durch Warlords.

Die seit den 80er-Jahren andauernde Präsenz nordtschadischer Militärs im Süden hat nun dazu geführt, dass sich muslimische Hirten in dieser Region als dem Staat näher stehend und dadurch mächtiger als die Bauern empfinden. Noch nie waren die Konflikte zwischen Viehzüchtern und Bauern im Tschad so blutig wie heute. Das Muster ist einfach: Ein Hirte weigert sich, einen Bauern für die durch sein Vieh angerichteten Ernteschäden zu entschädigen. Dann sammelt jeder bewaffnete Verbündete um sich, wobei die Hirten meistens über Schusswaffen verfügen, die Bauern aber nicht. Außerdem ergreift der Staat oft Partei für die Hirten – die meisten Vertreter von Behörden und Sicherheitskräften im Süden gehören zu nordtschadischen Hirtenclans.

Nach mehreren blutigen Zwischenfällen wie dem in Bekamba versuchen jetzt zivilgesellschaftliche Gruppen, Konfliktvermittlung in Gang zu setzen. Mit Hilfe der deutschen Entwicklungszusammenarbeit hat die NGO „Eirene Tschad“ ein „Mediationsprojekt Hirten/Bauern“ (MEC) gegründet, das zum Ziel hat, verfeindete Gemeinschaften miteinander ins Gespräch zu bringen. Zusammen mit einheimischen Gruppen wie dem Verband traditioneller Chefs des Tschad drängt MEC Bauern und Hirten dazu, Verständigungskomitees zu gründen.

Doch auch das funktioniert in der Realität meistens nicht. Die meisten dieser Komitees werden nach ihrer von außen initiierten Gründung wieder boykottiert oder durch vom Staat bezahlte Komitees ersetzt, die nicht mehr die Bevölkerung vertreten.

ABDOULAYE SEBY