: „Im Prinzip warten wir“
High sein, der schönen Aussicht wegen: Ein Gespräch mit Inga Humpe und Tommi Eckart über Tourneen mit Grönemeyer, Glücksmomente der Nacht und ihr neues 2raumwohnung-Album
INTERVIEW HENNING KOBER
taz: Die erste Überraschung: Aus dem Projekt 2raumwohnung ist eine richtige Band geworden. Warum?
Tommi Eckart: Du bist erfolgreich und dann siehst du plötzlich lauter so Schnuckipärchen, die ähnliche Musik machen und das Gleiche wie du selbst erzählen. Dann bekommst du das Gefühl schnell weiter.
Inga Humpe: Man spürt das Bedürfnis auszuweichen. Das „Liebespaar“ möchte ich nicht nicht mehr so im Vordergrund sehen.
Jens Wagemann und Rob Sartorius sind die neuen Bandmitglieder. Wer sind die beiden?
Inga: Wir kennen uns aus Hamburg. Das sind beides außergewöhnliche Musiker. Rob macht gerade seine erste eigene Platte, Jens wird auch mal ein eigenständiger Künstler werden, denke ich. Das ist sehr interessant für alle. Wir inspirieren uns gegenseitig.
Tommi: Zum Beispiel als wir beim Sonne-Mond-und-Sterne-Festival waren, haben wir vor dem Auftritt in unserem kleinen Backstage-Container unplugged rumgespielt. Zu zweit würden wir das nicht machen.
Im letzten Sommer wart ihr die Vorgruppe bei Konzerten von Herbert Grönemeyer, das war wahrscheinlich euer größter Auftritt bislang. War das Auslöser für die Band-Idee?
Tommi: Freunde hatten uns vorher gewarnt, das wir da bei so einer riesigen Veranstaltungen vielleicht auch ausgebuht werden könnten. Das Gegenteil ist passiert, zum Glück. Das hat uns mutiger gemacht.
Inga: Wir sind in den zwei Jahren vorher nur in Clubs aufgetreten. Die Konzerte waren bestärkend, uns musikalisch in einen klassischeren Bereich zu bewegen und eine Brücke zwischen Club und Grönemeyer-Publikum zu bauen.
Die erste Single „Spiel mit“ bleibt trotzdem in eurem traditionellen Revier, der Nacht im Club. Im Video tragen alle außer euch Schutzanzüge, ein Hinweis auf die Gefahr der Nacht?
Inga: Nein, das sind Langzeitastronauten, die auf der Erde ihre Schutzanzüge nicht mehr ausziehen dürfen, weil sie die Atmosphäre nicht vertragen. Trotzdem wollen sie unbedingt zu unserem Konzert. Eine sehr absurde Situation, weil die ganze Zeit von Flirten und Sex die Rede ist.
Euer größter Hit „Ich und Elaine“ wurde immer als Song über Frauenliebe gedeutet. Wart ihr darüber verwundert, dass so wenige eine Hymne auf Ecstasy-Pillen darin gehört haben?
Inga: Es hat mich gewundert. Aber es ist auch in Ordnung, dass jeder versteht, was er verstehen möchte. Ich habe gehört, dass der Titel ständig in einem schwulen Sadomaso in Barcelona läuft. Das freut mich sehr.
Das letzte Mal, als ich euch beim Ausgehen gesehen habe, war in der Panorama-Bar. Wo geht ihr zurzeit aus? Oder wartet ihr auf die Wiedereröffnung im Herbst?
Tommi: Im Prinzip warten wir.
Inga: Ja, da warten wir am allermeisten drauf. Obwohl, neulich bin ich im WMF-Sommerlager ganz schlimm abgestürzt, das war auch irre herrlich.
2raumwohnung gibt es ja eigentlich nur, weil euer erster Song „Wir trafen uns in einem Garten“, Werbung für eine Zigarettenmarke, so erfolgreich war. Wurde die Idee im Ostgut-Garten geboren?
Tommi: Nein, das Stück gab es seit 1998, ist dann 2000 rausgekommen, da gab es den Garten im Ostgut noch gar nicht.
Inga: Der Garten für die Harten. Da hatte ich superschöne harte Nächte. Unvergessen.
Tommi: Aber der Titel „Wir sind die anderen“, der auf dem Album ist, bezieht sich auf die Panoramabar, ist dort eigentlich entstanden. Das war kurz vor der Schließung, der letzte Samstag vor Weihnachten. Alle trafen sich noch einmal im Bewusstsein, dass es bald vorbei ist.
Inga: Überwältigt von der Großartigkeit des Moments.
Ihr habt das Album in drei Bereiche geteilt und mit den Überschriften Eleganz, Wirbel und Homie betitelt. Warum dieser Aufbau?
Tommi: Die ersten vier Stücke standen fest, danach gab es mehrere Konzepte für den Aufbau. Gut ist, am Anfang eine klare Linie zu haben. Nach einem bestimmten Punkt kannst du dann ziemlich unterschiedliche Sachen gegeneinander setzen. So bleibt es spannender und stärkt sich gegenseitig. Im Wirbel-Teil geht es tempomäßig am meisten zur Sache, trotzdem war das Anfangsbild so eine Art Meditation auf einem Plateau.
Ein Bild für das Level, auf das man raufkommen muss, um nachtglücklich zu sein? Frei und high?
Tommi: Genau. Der schönen Aussicht wegen.
Zum Komplex „Wirbel“ gehört auch „Cookies Cream (Hier ist der Sommer)“. Eine Hommage an Cookies Restaurant oder Häagen-Dasz-Eis?
Inga: Das Restaurant. Wir hatten da ein paar wunderbare Abende. Ich dachte, wer darf dieses Paradies eigentlich bevölkern?
Tommi: Etwas zum Essen zu haben, Musik hören, mit den Freunden dasitzen und glücklich sein. Und das zu merken in diesem Moment. Mehr kann man sich doch nicht wünschen, oder? Dabei war ich die ersten Jahre hier oft einsam. Gerade in der Großstadt dauert es länger, Freundschaften aufzubauen.
In den langweiligen Momenten also einfach die Füße ruhig halten: Ist das eine Weisheit, die mit dem Älterwerden kommt?
Inga: Das kann man auch gut als Jüngerer verstehen. Jeder hat für sich selbst die Verantwortung. Muss sich die Fragen stellen, was mache ich mit dem Leben, wie werde ich glücklich? Dazu muss man experimentieren, ein Forscher sein.
Du hast sehr viel experimentiert. Wie war zum Beispiel deine Zusammenarbeit mit den Pet Shop Boys, Ende der Achtziger?
Inga: Aufregend war das damals. „Do I Have To“ habe ich mit ihnen aufgenommen. Im Studio hat er dann an meinem Gesang herumgemäkelt. Er war sehr streng mit mir. Aber ich dachte: puh, find ich nicht. Der gab so ein bisschen den Doktor Pop. Was er da, Ende der Achtziger, auch war. Die Pet Shop Boys haben damals mit Popmusik das Maximale gemacht, das hatte noch lange extreme Wirkung auf mich.
Ihr habt auch in der Produktion zum ersten Mal mit mehreren Künstlern und Freunden zusammengearbeitet. Unter anderem mit der öffentlichkeitsscheuen Techno-Legende Moritz von Oswald, von dem kein Bild existiert. Habt wenigstens ihr sein Gesicht gesehen?
Inga: Das ist ein alter Freund von uns. Ein großartiger Produzent und exzellenter Mitautor. Von ihm stammen viele Ideen, die den Sound geprägt haben, zum Beispiel diese 70s Trompeten. Maximilian Hecker war auch beteiligt.
Aus dem Liebespaar ist also eine Familie geworden?
Inga: Stimmt, insgesamt war knapp ein Dutzend Leute involviert. Ein kleines Dorf.
Plant ihr weitere Musikexperimente?
Inga: Ich wollte immer mal Straßenmusik machen, hab das aber nie gemacht. Deshalb ist der Plan jetzt, nach St. Tropez zu fahren und dort im Hafen zu spielen. Vielleicht treffe ich da auch die Jungs von „Phoenix“, und dann lassen wir uns auf die Jachten einladen. Danach wollen wir eine Woche nach Kroatien fahren.
Zum Raven?
Inga: Nein, zum Sein.