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Archiv-Artikel

nebensachen aus philadelphia Führerscheinentzug nach Arztbesuch oder: Erst blasen, dann starten

In den USA ist John Doe, was in Deutschland der Otto Normalverbraucher ist. Manchmal sagen sie auch Joe Sixpack. Wie Keith Emerich, 44, aus Lebanon im US-Bundesstaat Pennsylvania das macht. „Ich bin doch nur ein ganz normaler Joe Sixpack“, klagte der Angestellte eines Copy-Shops, nachdem ihm das Verkehrsministerium von Pennsylvania in diesem Jahr den Führerschein entzogen hatte. Er hatte keinen Unfall verursacht, er wurde auch nicht von der Polizei angehalten. Keith Emerich ging lediglich zu seinem Hausarzt.

Dieser hatte im Februar Herzrhythmusstörungen bei Emerich festgestellt. Na ja, sagte Emerich, vielleicht sei der Grund, dass er jeden Abend mindestens einen Sixpack Budweiser trinke. Am 1. April, am Fool's Day, erhielt er einen Brief des Verkehrsministeriums, dessen Inhalt er zunächst für einen Aprilscherz hielt. Das Ministerium entzog Emerich die Fahrerlaubnis – und verwies auf seinen Alkoholkonsum. Arzt Ihres Vertrauens? Denkste!

In sechs US-Bundesstaaten sind Ärzte aufgefordert, Patienten zu melden, die wegen Krankheiten wie Epilepsie ein vermeintliches Verkehrsrisiko darstellen. Nur der Staat Pennsylvania geht, einem Gesetz von 1976 folgend, weiter: Die Verschwiegenheitspflicht wird auch aufgehoben, wenn der Arzt bei einem Patienten erhöhten Alkohol- oder Medikamentenkonsum feststellt. 21.000 Einwohner wurden 2003 gemeldet. 6.000 davon wurde der Führerschein entzogen, 230 wegen Alkohol. Emerichs Hausarzt hat sich also nur an die Gesetze gehalten.

„Was ich in meiner Wohnung treibe, geht doch das Ministerium nichts an“, schimpfte Emerich und reichte Klage ein, nachdem ihm im Mai der Führerschein entzogen wurde. Vor dem Bezirksgericht der Stadt Lebanon sagte er Ende Juli aus, dass er immer nur Abends getrunken habe, niemals mit Alkohol Auto gefahren und seit 23 Jahren nicht im Straßenverkehr auffällig geworden sei. Wegen der Herzprobleme trinke er ohnehin nur noch einen Sixpack pro Woche. Dennoch folgte das Gericht der Argumentation des Ministeriums. Dessen Sprecher, John Nissley, sagte: „Wenn jemand ein Alkoholproblem hat, sehen wir ihn nur ungern auf unseren Straßen.“

„Es ist ein verrücktes Gesetz“, sagte Emerich und legte Berufung gegen das Urteil ein. Doch auch Richter Bradford H. Charles gab vergangene Woche dem Verkehrsministerium Recht. Jedoch hielt er Emerich eine Hintertür auf: Er könne sich in seinen Ford Taurus ein Alkoholmessgerät einbauen lassen. Wenn er in das 1.000 Dollar teure Gerät bläst und kein Alkohol festgestellt wird, entriegelt sich das Auto – und Emerich kann starten.

Er werde das wohl machen, sagte Emerich, jedoch werde er behandelt wie ein Krimineller, obwohl das einzige Verbrechen gewesen sei, zum Arzt zu gehen. „In einen Schlauch blasen, um mein Auto zu starten: Da bin ich für immer gebrandmarkt.“ Zumindest dann kann er nicht mehr behaupten, er sei ein normaler Joe Sixpack. THILO KNOTT