Kölner Millionäre kaufen sich die Kunst

Der Stifterrat des Wallraf-Richartz-Museums treibt die Umwandlung des Hauses in eine gemeinnützige GmbH voran: Ziel des Honoratiorenclubs ist, das Museum „privatwirtschaftlicher operieren“ zu lassen. Die Stadt läuft Gefahr, an Einfluss zu verlieren

Von JÜRGEN SCHÖN

Kölns Museumslandschaft steht vor einer schwer wiegenden Umstrukturierung: Für das Wallraf-Richartz-Museum/Fondation Corboud wird die Übernahme durch den Stifterrat des Museums diskutiert. Der hatte im Juni die Fraktionsspitzen der Ratsparteien und Stadtkämmerer Peter-Michael Soénius (CDU) zu einem vertraulichen Gespräch eingeladen. Dabei zeigten sich die Politiker den Ideen des Honoratiorenclubs nicht grundlegend abgeneigt. „Ein Modell, das wir wagen sollten“, wird Richard Blömer, inzwischen zurückgetretener kulturpolitischer Sprecher der CDU, in dem Protokoll des Treffens zitiert, das der taz vorliegt.

Angesichts leerer Stadtkassen ist die Umwandlung der Kölner Museen in neue Rechts- und Betriebsformen seit langem ein Thema. Die zunächst diskutierte Umwandlung in Stiftungen scheiterte bislang an fehlenden Gesetzen. Beim Wallraf-Richartz-Museum (WRM) steht mit der Umwandlung in eine gemeinnützige GmbH nun ein neues Modell zur Debatte, das für zunächst zehn Jahre gelten soll.

Danach soll der Stifterrat zwar die Minderheit der Anteile halten, im siebenköpfigen Aufsichtsrat aber mit vier ehrenamtlichen Vertretern die Mehrheit haben, um seinen „Zielen und Verpflichtungen gegenüber der Stadt“ nachkommen zu können. Die Aufgaben des Aufsichtsrats sind unter anderem „Bestellung und Entlassung der Geschäftsführung/Museumsleitung“ sowie „Beratung und Zustimmung zu den von der Geschäftsführung/Museumsleitung auszuführenden Aufgaben“, wozu insbesondere die Ausstellungen, die Bestandspflege, Personalpolitik und die Entwicklung kunstpädagogischer Konzepte gehören. Durch die neue Rechtsform erhofft man sich auch, dass das Museum „privatwirtschaftlicher operieren“ kann. Gewerkschafter befürchten als Folge solchen „privatwirtschaftlichen“ Handelns unter anderem eine Absenkung des Lohnniveaus.

Würde dieses Modell umgesetzt, hätte die Stadt künftig keinen Einfluss mehr auf das, was in ihrem von Steuergeldern gebauten Haus und mit einer Sammlung im Wert von mehreren hundert Millionen Euro geschieht. Dies gilt zum Beispiel für die Ausstellungspolitik, die derzeit im Kulturausschuss zumindest noch zur Kenntnis genommen und auf ihre Finanzierung geprüft wird. Sie könnte auch nicht mehr über Eintrittspreise bestimmen oder über die Verpachtung der Gastronomieräume.

Verhängnisvoller noch wäre, dass der Rat nicht einmal über den Museumsdirektor und damit über die konzeptionelle Ausrichtung des Museums entscheiden könnte. Schon jetzt scheinen die Gerüchte über das Stifterratsmodell Politik und Verwaltung zu lähmen. So sollte der bisherige Museumsdirektor Rainer Budde eigentlich Mitte dieses Jahres in Pension gehen. Sein Vertrag wurde, so wollte es der Kulturausschuss, bis Ende dieses Jahres verlängert. Normalerweise kümmert sich der Arbeitgeber schon vor dem Ausscheiden des Stelleninhabers um einen Nachfolger. Dies ist nicht geschehen. Und auch nach der Vertragsverlängerung wurde das Amt des WRM-Direktors bis jetzt nicht ausgeschrieben.

Insider sprechen von „vorauseilendem Gehorsam von Verwaltung und Politik gegenüber dem Stifterrat“, der mit der Umstrukturierung Fakten schaffen wolle, bevor der Budde-Nachfolger bestellt werde. Die Teilnehmer des Gesprächs sehen laut Protokoll das Problem so: „Entscheidend sei die Berufung des neuen Direktors. Dieser müsse mehr als nur Experte sein, sondern sollte in der Lage sein, in der internationalen Liga der Museumsdirektoren mitzuspielen, selbst wenn er eine jüngere Person sei“.

Möglich auch, dass die stille Vorwegnahme des Stifterratsmodells die Wahl des neuen Kulturdezernenten beeinflusst. Auch er solle „seinen Input zu dem jetzt diskutierten Vertrag Stifterrat/Stadt geben“, steht im Protokoll. Bei einem „modern eingestellten“ Dezernenten sei dessen Ablehnung dieser Initiative aber „kaum vorstellbar“.

Ziel des Stifterrats ist laut Protokoll, das Museum „rasch weiter zu entwickeln“, um so eine „deutliche Attraktivitätssteigerung zu erreichen“. Konkrete Schritte dazu werden allerdings nicht genannt. Problematisch sieht er den fehlenden Platz für Sonder- und Wechselausstellungen. Solche Räume seien zwar ursprünglich in dem 2001 bezogenen Neubau zwischen Rathaus und Gürzenich vorgesehen gewesen, würden heute aber von der Sammlung Corboud „beansprucht“. Die Überlassung dieser 170 Bilder, größtenteils Impressionisten, durch den Sicherheitsschloss-Fabrikanten Gerard J. Corboud war vor drei Jahren noch groß gefeiert worden, das Museum erhielt sogar den Namen des Gönners angehängt.

„Grundsätzlich begrüßen wir jedes Engagement von Kölner Bürgern“, sagt auf taz-Nachfrage FDP-Fraktionschef Ralph Sterck, will aber mit Hinweis auf die „vereinbarte Vertraulichkeit“ keine weitere Stellungnahme abgeben. Keine Bedenken hat Karl Jürgen Klipper, im Juni noch CDU-Fraktionschef. „Der Einfluss der Stadt ist gewährleistet, die Interessen beider Seiten sind ausgewogen“, bewertet er die erste Verhandlungsrunde. Barbara Moritz dagegen, Spitzenkandidatin der Grünen für den Rat, beurteilt das Modell skeptischer, besonders was Transparenz und die Garantie öffentlichen Einflusses betrifft. Das Engagement des Stifterrats sei „diskutabel“, sie kann es sich allerdings, wenn überhaupt, nur in Form einer Betreibergesellschaft vorstellen: „Da muss aber geklärt werden, wie hoch der finanzielle Einsatz der privaten Seite ist.“ Darüber sei aber noch nicht gesprochen worden.

Angesichts der finanziell desolaten Lage der Kölner Museen müsse aber über eine Umstrukturierung der Museumslandschaft nachgedacht werden, sei es durch Zusammenlegungen oder eben durch die Einbeziehung von Privaten, so Moritz. Auch SPD-Fraktionschef Martin Börschel fordert, dass Einfluss und Verantwortung der Stadt erhalten bleiben müssen. Er warnt vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft der Kölner Museen: solche, die reiche Unterstützer haben, und solche, die ohne auskommen müssen.