: Leise wimmert der Wirt
Berliner geben ihr weniges Geld lieber nicht in der Kneipe aus – und bescheren dem Gastrogewerbe anhaltenden Umsatzrückgang. Vor allem Eckkneipen leiden. Viele Wirte läuten die letzte Runde ein
von JAN ROSENKRANZ
Die gute Nachricht zuerst: Es gibt wieder mehr freie Thekenplätze in Berliner Kneipen. Die schlechte Nachricht: Die verbliebenen Gäste trinken immer weniger. Und tragen so zur weiter anhaltenden Talfahrt des Berliner Gastgewerbes bei. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes lag der Umsatz der Hotel- und Gastrobranche im Juli um 12,9 Prozent unter dem Wert des Vorjahres.
Am deutlichsten macht sich die Krise im Gaststättengewerbe bemerkbar. In den Kneipen und Restaurants der Stadt ging der Umsatz allein in den ersten sieben Monaten des Jahres um 13,3 Prozent zurück. „Für viele Wirte ist die Situation dramatisch“, sagt Klaus-Dieter Richter, Vizepräsident des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes. Sogar Wirte, die sich zur Aufgabe entschieden hätten, würden weiter unter der Krise leiden. Weil niemand schlecht laufende Kneipen übernehmen will, bleiben sie auf ihnen sitzen.
Nach dem miesen ersten Halbjahr hofft die Branche nun trotzdem auf ein besseres zweites. „Das tun wir seit Jahren, allerdings vergebens“, so Richter. Seit Dezember 2000 muss die Branche – mit Ausnahme des August 2001 – fortlaufend Umsatzeinbußen von durchschnittlich 10 Prozent hinnehmen. Die Gäste kommen seltener und verzehren dann auch noch weniger als früher. Allein mit dem „Teuro“ lasse sich das nicht erklären.
Auch die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) bestätigt Umsatzeinbußen in der Gastronomie. Das liege vor allem daran, „dass die Berliner mit ihren Ausgaben sehr viel zurückhaltender geworden sind“, vermutet Ursula Luchner-Brock, IHK-Expertin für das Gastgewerbe. Zum anderen sei auch die durchschnittliche Verweildauer der Touristen leicht zurückgegangen – von 2,3 auf 2,2 Tage.
„Natürlich gibt es viele Lokale, die gut laufen, nur die traditionelle Eckkneipe gehört sicherlich nicht dazu“, sagt der Vizepräsident des Hotel- und Gastättenverbandes. War früher die Eckkneipe Treffpunkt des Feierabendlebens, gehen die Leute heute gleich nach Hause – samt Sixpack und Knabberkram. Für Richter steht fest: Die Eckkneipe stirbt, weil a) die traditionelle Kundschaft kein Geld mehr hat und b) die traditonelle Kundschaft ohnehin langsam ausstirbt. „Das liegt am Wandel der Gesellschaft.“
Dennoch geht es nicht allen Wirten schlecht. Warum aber ein Lokal brummt, während andere Wirte wimmern, bleibt wohl auf ewig eines der ungelösten Geheimnisse der Gastronomie. Und so hofft die Branche einfach darauf, dass es am Ende der Talsohle wieder bergan geht. Gab es im Jahr 2000 bei 700 Schließungen nur 300 Eröffnungen, so deutet alles darauf hin, dass sich nach einer Zeit der „Marktbereinigung“ in diesem Jahr beides erstmals wieder die Waage hält. Bis dahin warnt Verbandsvize Richter dennoch alle Wirte vor dem Preiskampf. Wer erst einmal eine Weile alles zum halben Preis angeboten habe, komme von dieser Schiene nicht mehr runter. Also bleibt es vorerst dabei: Es gibt noch freie Thekenplätze.