: Witz und Wahrheit retten die Welt
Neue Bücher von OL und Greser & Lenz, den verlässlichen Lieferanten des Lebens- und Überlebensmittels Komik
„There are many here among us, who feel that life is but a joke“, singt Bob Dylan in „All along the watchtower“. Das Leben ist ein Witz, und oft ein ziemlich schlechter – daraus aber die Erlaubnis abzuleiten, selbst schlechte Witze machen zu dürfen, wäre grundfalsch. Drei seit Jahren verlässliche Lieferanten des Lebens- und Überlebensmittels Komik sind der Ostberliner Ol Schwarzbach, der öffentlich unter dem Kürzel OL antritt, und die in Frankfurt ansässigen Achim Greser und Heribert Lenz, die als Greser & Lenz hauptsächlich im Duo arbeiten.
OLs Ruhm gründet auf bezaubernden Göbelwitzen. Nirgends hat das Erbrochene so viel Charme wie bei OL. Er hat das Genre des Trink-und-Kotz-Witzes revolutioniert, es aller grobianischen Plumpheit beraubt und es auf den Schwingen der Feinfühligkeit in olympische Kunstgefilde entführt. Während der Durchschnittsostdeutsche im brömmeligen Wolfgang-Thierse-Sound darauf besteht, dass bei ihm „viel Identität weggebrochen“ sei, weiß OL ganz genau, was Brechen ist und wie das geht. Man kann vieles wegbrechen in seinem Leben, aber eine Identität niemals, das ist Humbug und Angeberei. OL dagegen nimmt uns mit in das faszierende Universum des Ausspeiens alkoholischer Getränke. Allein die Feinheit seiner Farbgebung ist anbetungswürdig.
Auch in der Welt der Ehe kennt OL sich detailliert aus. Er weiß, wie die paarweise aufeinander hockende Sorte Mensch abends vor dem Fernsehapparat spricht. Zum Beispiel so: „Was geht eigentlich in so einem Selbstmordattentäter vor, nachdem er sich in die Luft gesprengt hat?“ Oder, etwas verschärfter: „Ich bin schwanger!“, sagt sie, und er, der gediegene Pilsprolet, gibt zurück: „Brauchste’n Jesprächsthema, oda watt?“ Von gleichermaßen großer Traurigkeit wie Komik ist OLs wampiges Paar, das mit Dosenbier und Kippe vorm Fernseher hockt. Hier ist der Mann der zarter Fühlende und fragt: „Und? Fühlse Dir ooch unjeliebt?“ So weiß man, woher das Kürzel OL kommt: Von AlkohOL und MelanchOLie.
Auch Achim Greser und Heribert Lenz beherrschen den guten, alten Ehewitz. „Scha-hatz, meine Mutter kommt!“, ruft die Frau, aus dem Kopf des zeitunglesenden Gatten steigt eine Denkblase auf: „Der Terror rückt näher.“ Wie man aus den durchforstetsten und ausgenudeltsten Witz-Genres noch komische Überraschungen herausholt, haben Greser & Lenz im Verein mit Rattelschneck, Kahl, Hurzelmeier und Sowa jahrelang auf der Titanic-Doppelseite „Hier lacht der Betrachter“ gezeigt. Was sie all den erloschenen Männern und Frauen an Leben zurückschenken, ist unglaublich. In einer meiner zehn Lieblingszeichnungen aller Zeiten lassen Greser & Lenz einen alten Zumpen auf eine Wirtshausquittung schreiben: „Anlass der Bewirtung: Gespräch über rasierte Mösen“. So ist er beschaffen, der Mensch, wenn man ihn sich nicht dumm und krumm lügt, das ist die Welt von Greser & Lenz – und, ohne jede Rumkumpelei: Das ist auch meine.
1996 gelang Greser & Lenz ein großer Coup: Sie wurden Zeichner bei der FAZ, wo sonst Steckrüben wie Ivan Steiger zeigen dürfen, dass ihnen die Welt der Perspektive so fern ist wie jeglicher Humor. Die Nähe zu Frank Schirrmacher, dem Kai Diekmann für Besserverdienende, hat Greser & Lenz nicht das Geringste anhaben können: Die beiden Franken machen stoisch ihren Kram, entwickeln ihren eigenen Witz und Stil, und die FAZ, die ihre Leser notorisch als „kluge Köpfe“ anschmeichelt, hat auf diese Weise wenigstens zwei davon. Seit Anfang 2004 verleihen Greser & Lenz auch dem labbrigen Stern einen Rest von Existenzberechtigung, und auch hier gilt: Der Matsch des Mainstreams mag manchen verschlingen – die Landeier Greser & Lenz aber sind resistent für den Lockruf der Doofheit.
Humanisten sind die beiden ohnehin: Den Nullgestalten des politischen Personals gewinnen sie eine Komik ab, die Rezzo Schlauch, Horst Köhler, George Bush, Manfred Stolpe etcetera im wirklichen Leben nicht haben. Erst der Umweg über Greser & Lenz erweckt solch schäbige Flachkräfte zum Leben – das anderen dann sogar Freude spendet. Man kann es nicht in kleinerer Münze sagen: Greser & Lenz retten die Welt. WIGLAF DROSTE
OL: „Herr Ober! Vor meiner Suppe sitzt ein Mann!“. Eulenspiegel Verlag, 96 S., 12,90 Euro, mit einem Vorwort von Max Goldt; Greser & Lenz: „Der Aufschwung ist da!“. Kunstmann Verlag, 240 S., 9,90 Euro, mit einem Nachwort von Claudius Seidl