: Medienpolitische Selbstversenkung
Unter Wolfgang Clement war Nordrhein-Westfalen unangefochtener Medien-Primus unter den Bundesländern. Jetzt istder Lack ab, und die Übriggebliebenen ziehen die Konsequenzen. Die überflüssige landeseigene Medien GmbH macht dicht
aus Köln PASCAL BEUCKER
Erst ging der Lotse von Bord, jetzt wird das Schiff versenkt: Die nordrhein-westfälische Landesregierung wird ihre landeseigene NRW Medien GmbH „in einem überschaubaren Zeitraum“ auflösen. Künftig übernimmt das Land seine „medienpolitischen Aufgaben“ wieder selbst, erfuhren am Dienstag die überraschten Beschäftigten der NRW Medien GmbH auf einer Betriebsversammlung von ihrer Medien-Staatssekretärin Miriam Meckel.
Begründung: Sparen, auch im Medienbereich. NRW-Medien-GmbH-Geschäftsführer Helmut G. Bauer geht zum Monatsende, natürlich „in beiderseitigem Einvernehmen“. Als dies Ende vergangener Woche durchsickerte, hatte Meckel allerdings noch betont, dies sei „kein Präjudiz für eine Auflösung der Gesellschaft“.
Neue Politik
Die Geschichte der Medien GmbH ist dafür auf ganz andere Art „Präjudiz“ für die neue Politik im Film- und Fernseh-Musterländle des ehemaligen „Medienministers“ Wolfgang Clement (SPD).
Unter seiner Ägide wurde die GmbH als Public Consultant im Juli 2001 gegründet, um „die Wettbewerbsposition des Landes Nordrhein-Westfalen als führender Medienstandort zu sichern und weiter auszubauen“. Tatsächlich jedoch konzentrierte sich die Arbeit der Landestochter aber vorrangig auf die Organisation des jährlich stattfindenden Großkongresses „Medienforum NRW“, an dessen Sinnhaftigkeit in den vergangenen Jahren nicht nur in der taz mehr und mehr gezweifelt wurde.
Als Clement 2002 als Wirtschaftsminister ins Bundeskabinett wechselte, übernahm in NRW ausgerechnet sein wenig medienaffiner Finanzminister Peer Steinbrück. Der neue Ministerpräsident stellte umgehend alle standortfördernden Anstrengungen seines Vorgängers – inklusive Medien GmbH – „auf den Prüfstand“.
Trotz des lang angekündigten Todes fühlt sich deren Belegschaft, so eine Mitarbeiterin auf der Personalversammlung, von Meckel „persönlich verarscht“. Die Stimmung reiche „von Sarkasmus bis zu tiefer Depression“, sage Betriebsratschefin Ina Rumpf der taz. Betroffen sind allerdings gerade noch 16 Personen – von einst über 30.
Mit der Medien GmbH beerdigt die rot-grüne Landesregierung nur eine der zahlreichen kostspieligen Clement-Hinterlassenschaften, die, „als großer Wurf“ angekündigt, als Rohrkrepierer endeten. Bei der Filmstiftung NRW, die alljährlich Millionenbeträge für die Film- und TV-Produktion bereitstellt, ist nach dem Weggang des umtriebigen Dieter Kosslick zur Berlinale nach Berlin eher die Luft raus. Im Kölner Medienpark glänzten lange Zeit Baulücken. Und heute meldet die taz köln (www.taz-koeln.de), dass die in der Domstadt ansässige Comedy-Schule ihren Betrieb einstellt.
Viel Geld war dabei stets im Spiel. Für die Medien GmbH sollte der Jahresetat mehr als 125 Millionen Euro betragen. Clements Ziel: durch die GmbH-Ausgründung staatliche Fördermittel ohne die übliche parlamentarische Kontrolle flexibel vergeben zu können. Doch das scheiterte umgehend am Widerstand einzelner Ministerien, die gar nicht daran dachten, ihre für Medienprojekte vorgesehenen Etats an die neue Zentrale abzugeben. Der GmbH blieben ganze 6,6 Millionen Euro – damit waren die geplanten Höhenflüge de facto schon im Ansatz gescheitert.
Restposten
Was ihr auch blieb, war ihr Geschäftsführer Helmut G. Bauer. Mit Blick auf die anstehenden großen Aufgaben und der entsprechend großen Verantwortung war der gelernte Rechtsanwalt unter Clement mit einem für ihn nicht gerade unvorteilhaften Fünf-Jahres-Vertrag ausgestattet worden: 180.000 Euro Grundvergütung, dazu jährlich 45.000 Euro für die Altersversorgung. Nebenbei arbeiten durfte Bauer auch noch – etwa als Gesellschafter der Medienfirmen MP*plus oder der westka Interaktive. Zusammen verdiente er so deutlich mehr als der Ministerpräsident. Unklar ist bisher, welche Abfindungssumme Bauer erhält. Die NRW-CDU verlangt nun, diesen Betrag offen zu legen.
Für die Landtagsopposition ist das nun offenkundige Scheitern der Medien GmbH ein gefundenes Fressen. „Offensichtlich schreibt Steinbrück ohne Konzept das Medienland NRW ab“, sagt der medienpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stefan Grüll. Die Liquidation der NRW Medien sei „das vorläufige Ende einer Kette medienpolitischer Fehlentscheidungen der rot-grünen Landesregierung“, so Grüll zur taz. Meckel und Bauer dürften am Freitag im Medienausschuss des Landtages einiges zu erklären haben.