„Gute Finanzberatung gibt es nicht umsonst“

Privatanleger verlieren in der Finanzkrise Milliarden Euro. Per Gesetz will Verbraucherministerin Aigner für bessere Finanzberatung sorgen. „Sinnvoll, aber nicht ausreichend“, sagt Hermann-Josef Tenhagen, Chef von Finanztest

HERMANN-JOSEF TENHAGEN, 46, leitet die Zeitschrift Finanztest, die sich durch Abos, Kioskverkäufe, öffentliche Mittel finanziert.

taz: Herr Tenhagen, nach dem Platzen der New-Economy-Blase vor acht Jahren verlieren auch deutsche Anleger wieder viel Geld. Warum lernen sie eigentlich nicht aus ihren Fehlern?

Hermann-Josef Tenhagen: Viele Privatanleger haben durchaus dazugelernt. Sie sind nicht mehr so stark im Aktienmarkt unterwegs. Und die, die dort angelegt haben, lassen sich durch Verluste nicht so überraschen.

Aber die Verluste sind doch riesig. Auch deutsche Aktien könnten ihren Tiefstand aus dem Jahr 2003 bald erneut erreichen …

… und sich dann auch wieder erholen. Jenseits der aktuellen Krise wissen die Privatanleger inzwischen, dass Schwankungen der Aktienwerte dazugehören. Erschüttert sind viele jedoch, weil ihre Hausbank ihnen Zertifikate verkaufte, die unwiederbringliche Verluste verursachten.

Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat deshalb ein Gesetz vorgelegt, mit dem die Beratung der Anleger durch die Banken und ihre Berater verbessert wird. Reicht das?

Das ist ein großer Schritt nach vorne. Der Gesetzentwurf enthält zwei wichtige Punkte. Erstens müssen die Bankangestellten künftig jedes Beratungsgespräch protokollieren und vom Kunden unterschreiben lassen. Dadurch erhalten die Privatanleger mehr Möglichkeiten, den Beratern Fehler nachzuweisen. Und zweitens wird die Haftung der Berater künftig erst nach zehn Jahren verjähren. Nach gegenwärtiger Rechtslage haben sie nach drei Jahren nichts mehr zu befürchten.

Was wäre denn ein Fehler, für den ich meinen Bankberater dann wirksamer belangen könnte?

Sie betonen im Beratungsgespräch beispielsweise, dass Sie Geld sicher anlegen wollen, um es in zehn Jahren für das Studium Ihrer Kinder zu nutzen. Die Bank müsste Ihnen eigentlich risikoarme Anlageformen anbieten, etwa festverzinsliche Staatspapiere. Würde der Berater Ihnen dagegen verlustbringende Hebelzertifikate der höchsten Risikoklasse verkaufen, könnten Sie ihn später eventuell verklagen.

Die Berater und Banken verdienen heute bestens an den Provisionen für die Produkte, die sie verkaufen. Ist das ein grundsätzlicher Interessenkonflikt, der einer guten Beratung entgegensteht?

Allerdings. Und dazu sagt Verbraucherministerin Aigner in ihrem Gesetzentwurf leider nichts. Die Beratung über Geldanlagen und der Verkauf der Produkte müssten stärker voneinander getrennt werden. Heute finanzieren die Banken diese Arbeit über die Verkaufsprovisionen. Diese unglückliche Verbindung führt dazu, dass die Institute Produkte anpreisen, die hohe Provisionen versprechen, aber nicht die geeignetsten sind, um die Bedürfnisse der Kunden zu erfüllen. Die Banken und Finanzberater sollten verpflichtet werden, eigenständige Beratungsleistungen anzubieten, für die sie dann auch ein Honorar verlangen dürften.

Anlässlich einer Tagung zum Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen kündigte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) am Dienstag in Berlin an, die Beratung von Privatanlegern zu verbessern. So lässt die Ministerin prüfen, ob die Berufsbezeichnung „Finanzberater“ geschützt werden soll. Anlageberater müssten dann bestimmte Qualifikationen nachweisen. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass Finanzberater Kundengespräche protokollieren und den Anlegern aushändigen. Die Haftung der Berater soll auf zehn Jahre verlängert werden, gegenwärtig sind es drei Jahre. KOCH

Meinen Sie, Privatkunden wären bereit, für die Beratung zu zahlen?

Für eine Beratungsleistung, die etwas kostet, kann man Qualität verlangen. Gute Finanzberatung gibt es nicht umsonst. Beim Steuerberater funktioniert es ja auch so. Gegen Honorar lässt man sich beraten und entscheidet dann, welche Dienstleistung man in Anspruch nimmt.

INTERVIEW: HANNES KOCH