: Geteiltes Auto ist billigeres Auto
Gedränge beim Carsharing: Drei Anbieter konkurrieren in Hamburg. Stattauto kooperiert mit autoarmem sozialen Wohnungsbau mitten in der City. Verband rechnet mit Potenzial von 50.000 Kunden allein in der Hansestadt
von Gernot Knödler
Im Wichernhof ist das Carsharing bei denen angekommen, die sich kein Auto leisten können. Die evangelische Wichern-Baugesellschaft hat am Münzplatz 111 Sozialwohnungen errichtet. Eine Tiefgarage wäre zwischen Hühnerposten und Amsinckstraße unverhältnismäßig teuer geworden, und die meisten Mieter hätten sich ohnehin kein Auto leisten können. Die Lösung: autoarmes Wohnen mit Fahrrad-Abstellanlage im Erdgeschoss und einem Kooperationsvertrag mit Stattauto.
„Wir wollten unseren Mietern was Gutes tun“, sagt Susan Krüger von Wichernbau. Das gemeinnützige Wohnungsunternehmen bot der Carsharing-Firma zwei Stellplätze im Hof an. Dafür erhalten die Sozialmieter des Wichernhofs Sonderkonditionen: Sie bezahlen keine Beitrittsgebühr („Startpreis“), keine Kaution und nur einen geringen monatlichen Grundpreis. Stattauto schätzt sich im Gegenzug glücklich, Fahrzeuge in zentraler Lage anbieten zu können. Stattauto-Vorstand Birger Holm: „Das größte Problem beim Carsharing ist das Akquirieren neuer Stellplätze.“
Nachdem das Carsharing noch vor wenigen Jahren kriselte, scheint es jetzt einen Boom zu geben. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Kunden in Deutschland um 15 Prozent gewachsen und die Zahl der Fahrzeuge um acht Prozent, sagt Holm, der auch dem Bundesverband Carsharing vorsteht. Mit dem Mineralölkonzern Shell, der vor zwei Wochen ein eigenes „Zeit-Auto-Angebot“ vorgestellt hat, können Hamburger zwischen drei Anbietern in ihrer Stadt wählen. Mit dem Angebot „Shell Drive“ in Hamburg wolle der Konzern „dieses neue und zukunftsfähige Geschäftsfeld“ erweitern, sagte Josef Waltl, Vorsitzender der Geschäftsführung der Shell Deutschland zur Einführung.
Studien der TU-Köln (1995) und des Öko-Instituts (2003) hätten für Deutschland ein Potenzial von 2,5 und zwei Millionen möglichen Carsharing-Kunden ermittelt, sagt Holm. Für Hamburg ergebe sich daraus eine Kundschaft von mehr als 50.000 Menschen. Derzeit haben knapp 3.000 Carsharing-Verträge abgeschlossen. „Wir haben noch richtig was vor uns in Hamburg“, freut sich Holm.
Die Konkurrenz belebt dabei in seinen Augen das Geschäft. „Der Marktauftritt von Shell sorgt für frischen Wind“, findet Holm. Wenn der Konzern mit seinen enormen Möglichkeiten für das Carsharing werbe, komme das der gesamten Branche zugute.
Ein Weiteres tut die Zusammenarbeit der Auto-Teiler mit dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Dass der angesehene Verkehrsverbund mit einem 14-seitigen Faltblatt fürs Carsharing wirbt, ist Holm so viel Wert, dass er HVV-Abonnenten ohne weitere Gegenleistung des HVV ein Angebot macht, das sogar noch günstiger ist als das für die Bewohner des Wichernhofs. Shell und Cambio, der dritte Anbieter in Hamburg, warten mit eigenen Tarif-Modellen auf.
Die meisten Kunden gewinne die Branche inzwischen nicht aus ökologischen Gründen, vermutet Holm, sondern weil Autos teilen billig ist. Der durchschnittliche Carsharing-Kunde gebe sechsmal weniger für das Auto aus als der durchschnittliche Autobesitzer, sagt der Branchenvertreter. Und die privaten Wagen stünden die meiste Zeit nur herum. Dazu komme die Parkplatznot: Viele Kunden wohnten in innerstädtischen Vierteln, wo kaum Parkplätze zu finden seien. Wer stundenlang um den Block kurven muss, der kann auch mit dem Bus zur nächsten Carsharing-Station fahren.