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Archiv-Artikel

Ein Professor für Scientology

Wieder mal Aufregung um das Dresdner Hannah-Arendt-Institut: Direktor Gerhard Besier verteidigt seinen Einsatz für eine Sekte – „es geht um religiöse Vielfalt“

BERLIN taz ■ Wenn das Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung in den zehn Jahren seines Bestehens ins Gerede gekommen ist, dann meist als Objekt von politischer Instrumentalisierung. Namentlich dem sächsischen Wissenschaftsminister Matthias Rößler (CDU) wurde fragwürdiger Durchgriff auf Personalentscheidungen nachgesagt. So etwa bei der Quasi-Abberufung des langjährigen Institutsdirektors Klaus-Dietmar Henke (SPD) wegen einer Kontroverse um das Georg-Elser-Attentat auf Hitler.

Nun bringt der erst im April berufene neue Direktor Gerhard Besier seinen Dienstherrn Rößler unerwartet in Verlegenheit – mit seiner Unabhängigkeit. Bei der Eröffnung eines Scientology-Europabüros in Brüssel soll der Professor gesagt haben, die Religionsgemeinschaft stehe „in der ersten Reihe derjenigen, die für die Akzeptanz von religiöser Vielfalt kämpfen“.

Die schärfsten spontanen Reaktionen kamen ausgerechnet aus der CDU-Landtagsfraktion in Dresden. Von einer „Ungeheuerlichkeit“ sprach der kulturpolitische Sprecher Roland Wöller. Konsequenzen für Besier seien „in keiner Weise mehr auszuschließen“. „Es war ein Irrtum anzunehmen, ich sei der Favorit der CDU“, stellte Besier nach seiner Rückkehr von einer USA-Reise am Dienstagabend fest. Was aber hat er in Brüssel wirklich gesagt? Er sei privat in Brüssel gewesen und dort von Kollegen um ein Grußwort gebeten worden, betont der Kirchenhistoriker. Ein autorisiertes Manuskript seiner kurzen Ansprache existiere nicht. Er habe vor allem daran erinnert, dass seit Jahren das amerikanische Außenministerium, aber auch die EU über die Diskriminierung kleinerer Religionsgemeinschaften klagten. Die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU sei in Deutschland nicht umgesetzt worden. Was Kirche sei oder nicht, bedürfe der Präzisierung, notfalls durch Gerichte. In Ländern wie Schweden oder Italien sei Scientology anerkannt, in anderen nicht. Die Diskussion sei von Feindbildern geprägt, argumentierte Besier. Hier müsse man zu einer weniger hysterischen, skandalisierenden Debatte kommen. Er gehöre nicht der Scientology-Kirche an, versicherte der Professor.

Die Reaktionen auf Besiers Toleranzappell aber bleiben schroff ablehnend. Pfarrer Gerald Kluge, katholischer Sektenbeauftragter im Bistum Dresden-Meißen, spricht von totalitären Zügen der Organisation und billigt ihr keinesfalls den Kirchenstatus zu, den sie vermutlich nur wegen der Steuervorteile anstrebe. Sein evangelischer Kollege Harald Lamprecht nennt Scientology gar eine „psychotherapeutische Dienstleistungseinrichtung mit überzogenen Preisen und politischen Herrschaftsabsichten“. Jella Teucher, Sektenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, forderte Besiers Rücktritt und den Entzug der Professur gleich mit. Die sächsische PDS, die schon die Berufung des „stockkonservativen“ ehemaligen Heidelberger Professors vehement kritisiert hatte, forderte ebenfalls Besiers Entlassung. „Diejenigen, die uns immer unzulässige Einmischung vorgeworfen haben, wollen jetzt genau diesen Durchgriff“, kommentierte Steffen Große, Sprecher des sächsischen Wissenschaftsministeriums. Dort war Besier gestern zum Rapport bestellt. Heute wird Minister Rößler dem Hochschulausschuss des Landtages berichten und sich positionieren.

MICHAEL BARTSCH