: Absurder Egotrip
Bewerbungs-Farce und Intifada: Zwei Inszenierungen des Körber Studios Junge Regie am Thalia in der Gaußstraße
Zuerst Witz, Ironie und Slapstick, dann Pathos pur. Zuerst Arbeitslose beim Assessment-Center, dann palästinensische Brüder beim Kampf um Leben und Tod. Vier Millionen Türen und Vermummte zeigte das Thalia in der Gaußstraße am Mittwoch. Es galt, im Rahmen des Körber Studios Junge Regie sieben Produktionen von Regiestudenten aus dem deutschsprachigen Raum zu präsentieren; am Freitag wird die beste Nachwuchsarbeit prämiert.
Gute Chancen auf den Preis darf sich Eike Hannemann, Regiestudent an der Ernst-Busch-Schule Berlin, ausrechnen. Flott und witzig setzt er die Bewerbungsfarce Vier Millionen Türen von Thomas Melle und Martin Heckmanns in Szene. Wie vier Arbeitslose stellvertretend für vier Millionen schon im Vorzimmer um einen Job rangeln und dabei sozial kompetent und durchsetzungsfähig auftreten wollen, wird mit glänzend eingesetzter Mimik und Gestik als sinnlos-absurder Egotrip persifliert. Auch als sich das Bewerbungsgespräch als kollektive Anklage zur unterlassenen Hilfeleistung beim Selbstmord einer jungen Frau herausstellt, setzen die vier Konkurrenten ungern ihre Gewinnermasken ab. Das Wort „sozial“ wird nur in Verbindung mit Kompetenz und Teamarbeit in den Mund genommen.
Auch beim Stück Vermummte des israelischen Autors Ilan Hatsor geht es um Egoismus und Verantwortung. Drei palästinensische Brüder müssen sich entscheiden, wie sie zur israelischen Besatzung stehen. Widerstand oder Kollaboration, Denken an den eigenen Vorteil oder an die Gemeinschaft. In langen Monologen und Beschuldigungen schält sich heraus, warum der eine israelischer Spitzel wurde, der andere für die Intifada arbeitet. Diese qualvolle Wahrheitssuche aber inszeniert Daniel Klumpp, Regiestudent an der Folkwang-Hochschule Essen, dermaßen pathetisch, dass diese Überdosis bitterer Ernst und innere Anspannung nur eines erzeugt: Spannungslosigkeit und Ermüdung. KARIN LIEBE
Körber Studio Junge Regie: letzte Vorstellung heute, 19 Uhr: No More Theatre, Performance-Trilogie des Studiengangs Angewandte Theaterwissenschaft Gießen. Anschließend Preisverleihung und Party.