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Archiv-Artikel

Betr.: Puthuveetil Balam

von PLUTONIA PLARRE

Der Laden sieht aus wie ein ganz gewöhnlicher Zeitungsladen: Neben der Eistruhe sind die Tageszeitungen gestapelt, auf dem Verkaufstisch stehen Kästen mit Süßkram, im Regal dahinter die Zigaretten. Und trotzdem: Etwas ist anders und das ist nicht nur der süße Geruch von Sandelholz, den die Räucherstäbchen verströmen. Es ist die ruhige, freundliche Atmosphäre, die der Inhaber Puthuveetil Balam verbreitet.

„Der Mann ist viel zu gut für diese Welt“, sagt ein Anwohner. „Er hat ein feines Gespür für seine Kunden, aber drängt er sich nicht auf.“ Balam habe aber ein großes Problem, das ihn vielleicht die Existenz kosten könne: „Er schaut zu wenig aufs Geld.“

Der 52-jährige Inder kam 1982 von Sri Lanka nach Berlin. Bevor er sich selbstständig machte, hat er als Küchenhilfe und in einer Wurstfabrik gearbeitet. Als er vor zwei Jahren an der Ecke Eisenacher, Winterfeldtstraße in Schöneberg den Laden mietete, hat er noch bis zu 14.000 Euro Umsatz pro Monat gemacht. Inzwischen ist der um die Hälfte geschrumpft. „Die Leute haben kein Geld mehr“, sagt Balam in gebrochenem Deutsch.

Allein vom Zeitungsverkauf habe er seine Familie – die Kinder sind neun und zehn Jahre alt – auch früher nicht ernähren können. Gewinn ist nur bei Zigaretten, Getränken und Spätkaufgütern wie Nudeln, Reis, Zucker, H-Milch und Kosmetika drin. Das wichtigste Standbein, Bier, geht seit Einführung des Dosenpfands allerdings kaum noch. „An einer Tageszeitung verdiene ich nur ein paar Cents“, sagt Balam. Weil dies so ist, macht der Inder sein Geschäft im Gegensatz zu anderen Zeitungshändlern erst morgens um 9.30 Uhr auf. Dafür steht er aber bis abends um halb zehn hinter dem Ladentisch, Samstag und Sonntag inclusive. Wenn er Besorgungen machen muss, springt seine zehn Jahre jüngere Frau Pushpawathie ein. Manchmal ist er zu müde, um abends noch mit der U-Bahn heim nach Tegel zu fahren. Dann schläft er in dem Raum hinter dem Laden.

„Ich bin gern Verkäufer“, sagt der schlanke Mann mit dem schütteren Haar. „Es ist schön, mit Menschen zu tun zu haben.“ Dass Balam zu Kindern eine besondere Beziehung hat, wissen nicht nur die Schüler der nahen Werbellinsee-Grundschule zu schätzen. Beim Bezahlen der Süßigkeiten springt oft ein kostenloser Bonbon heraus. Auch das Durchblättern der Zeitungen ist in dem Laden erlaubt. „Wenn man etwas sucht, muss man doch nicht gleich alle Zeitungen kaufen“, sagt Balam.

Kinder, die bei ihm einen Liter Cola für 1,50 Euro kaufen wollen, schickt er rüber zu Penny. Dort kostet die Flasche die Häfte. So etwas macht er nicht einmal, sondern immer wieder, auch auf die Gefahr hin, dass er sich damit das eigene Geschäft ruiniert. „Es könnten auch meine Kinder sein“, sagt Balam zur Erklärung und lächelt leise.