: Immer mehr Koma-Kinder in Niedersachsen
Sofort-Betreuung nach Alkohol-Exzess: Krankenkassen zahlen künftig für Prävention bei trinkenden Jugendlichen
„Koma-Saufen ist schick“, sagt Mechthild Ross-Luttmann. Der Druck von Kumpels und Freundinnen auf Jugendliche, sich voll laufen zu lassen, sei größer als früher, Trinkgelage seien zur „Mode“ geworden, findet Niedersachsens christdemokratische Sozialministerin. „Diese Spirale müssen wir durchbrechen.“ Mehr Geld gibt das Land dafür kaum. Dennoch freute sich Ross-Luttmann am Donnerstag darüber, dass in Niedersachsen als erstem Bundesland die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für erste Präventionsmaßnahmen nach einem Alkoholexzess übernehmen werden – etwa 220 Euro pro Fall.
Die Zahlen sind dramatisch: Im Jahr 2008 wurden in Niedersachsen 2.600 Jugendliche unter 18 Jahren nach einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt. Das sind 207 Prozent mehr als im Jahr 2000. Bei den Fällen im vergangenen Jahr waren 950 Jugendliche sogar jünger als 15 Jahre. Bundesweit trinkt sich laut Studien mittlerweile jeder Fünfte unter 18 Jahren bei Saufpartys ins Koma. „Anlass zu großer Besorgnis“, sieht da auch der Leiter des Verbandes der Ersatzkassen, Jörg Niemann. In Niedersachsen wollen die Kassen für diese Fälle künftig rund 500.000 Euro jährlich aufwenden.
Damit beteiligen sich erstmals in einem Bundesland alle Kassen an der flächendeckenden Umsetzung des Modellprojekts „Hart am Limit“ (Halt). Es wurde vor sechs Jahren in Lörrach eingeführt und ist seitdem in jedem Bundesland in je einer Region erprobt worden. Nach dem niedersächsischen Vorbild Osnabrück sollen künftig im ganzen Land Minderjährige, die mit einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden müssen, bereits im Krankenhaus zu „Halt“ beraten werden: Kommen Teenager nach ihren Zechtouren wieder zu Bewusstsein, steht sofort eine Fachkraft bereit, um ein einstündiges Gespräch zu führen, Gruppengespräche können folgen. Etwa die Hälfte der Betreuten willigt in die Betreuung ein.
Alkoholverkauf erst an Über-18-Jährige – wie soeben in Frankreich beschlossen – lehnte Ross-Luttmann gestern ab: „Die bestehenden Bestimmungen müssen erstmal eingehalten werden“, sagte sie. Das hätten die landesweit „erfolgreich“ durchgeführten Alkohol-Testkäufe durch Jugendliche gezeigt. KSC