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Archiv-Artikel

Ehrenbürger von Sarajevo lenkt Geschicke des Landes

Der slowenische Kärtner und erfahrene Diplomat Valentin Inzko wird Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina

WIEN taz ■ Bosnien-Herzegowina bekommt einen neuen Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft. Nachdem die USA ihre Vorbehalte zurückgezogen haben, gilt die Bestellung des erfahrenen österreichischen Diplomaten Valentin Inzko als sicher. Der Kärntner Slowene war von der Europäischen Kommission vorgeschlagen worden, nachdem der bisherige „Generalgouverneur“, der Slowake Miroslav Lajcák, Außenminister seines Landes wurde.

Die USA hätten sich einen schwergewichtigeren Mann für den schwierigen Posten gewünscht und favorisierten den britischen UN-Botschafter Emyr Jones Parry. Inzko konnte die Bedenken aber bei einer Vorstellungstour nach Washington offenbar ausräumen.

In der Tat ist an der Qualifikation des 59-Jährigen nicht zu zweifeln. Er spricht nicht nur fließend Serbokroatisch und Russisch, sondern kennt auch den Balkan bestens. Vor einem Vierteljahrhundert begann er seine diplomatische Laufbahn als Presse- und Kulturattaché in Belgrad, später leitete er die Ost- und Südosteuropaabteilung im Wiener Außenamt. Nach dem Dayton-Abkommen war er bis 1999 Österreichs erster Botschafter in Sarajevo. Dort musste er in der zerbombten Stadt seine Wohnung in einem zerschossenen Gebäude ohne Fensterscheiben einrichten und suchte den Kontakt zur Bevölkerung. Im Jahr 2000 wurde er dafür mit der Ehrenbürgerschaft von Sarajevo geehrt. Derzeit dient Inzko als Botschafter in Slowenien.

In dieser Eigenschaft legte er sich vor anderthalb Jahren mit dem damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider an, als er dessen Spruch „Kärnten wird einsprachig“ in einem Zeitungsinterview kritisierte. Im Verlaufe der Kontroverse entzog er dem im vergangenen Oktober verunfallten Haider das Duwort.

Auf Inzko, der bei der bosnischen Bevölkerung einen sehr guten Ruf genießt, wartet keine leichte Aufgabe. Im künstlich zusammengeschmiedeten Staat der Serben, Kroaten und Bosniaken haben die zentrifugalen Kräfte die Oberhand. „Es ist grauslich, was dort vorgeht“, kommentierte der designierte Hohe Repräsentant, dessen Aufgabe es ist, über die Bestimmungen des Dayton-Vertrags zu wachen, der den Bosnienkrieg beendete. Dafür verfügt er über die sogenannten Bonner Befugnisse, die ihn zu einer Art Kolonialherren machen: Er kann gewählte Amtsträger entlassen und wichtige Entscheidungen auch per Dekret gegen den Willen der Landespolitiker durchsetzen. Für die USA war es entscheidend, dass Inzko auf diese Vollmachten nicht verzichtete. Vor allem geht es darum, das Auseinanderbrechen des Staatengebildes zu verhindern. Ulrike Lunacek, Europasprecherin der österreichischen Grünen: „Das erneute Ausbooten der EU wie zur Verfassungsreform 2005/2006 in Bosnien-Herzegowina darf sich nicht wiederholen. Ein internationaler Schlingerkurs in Bosnien-Herzegowina würde die Stabilität des gesamten Westbalkan gefährden.“ RALF LEONHARD