: „Pro Köln“ verwechselt rechts mit Recht
Die Vorsitzende der rechtsextremen „Bürgerbewegung Pro Köln“ will von „Linksextremisten“ brutal misshandelt worden sein. Vor Gericht verwickelt sie sich jedoch in Widersprüche und hat Erinnerungslücken. Ergebnis: Freispruch für die Angeklagten
Von Pascal Beucker
Zum Schluss hatte es Markus Beisicht eilig. Im schnellem Stechschritt und mit finsterer Miene verließ der Rechtsanwalt und stramme Rechtsausleger am späten Mittwoch Nachmittag den Verhandlungssaal 13 im Justizzentrum an der Luxemburger Straße. Seine Mandantin hatte einige Probleme, seinem Tempo zu folgen. Aber auf Judith Wolter war Beisicht ohnehin nicht mehr gut zu sprechen. Denn die Vorsitzende und Spitzenkandidatin der rechtsextremen „Bürgerbewegung Pro Köln“ hatte es einfach grandios vermasselt.
Vor dem Kölner Amtsgericht war zuvor fünf Stunden lang über einen Vorfall verhandelt worden, der bereits über ein Jahr zurückliegt. Am 5. Juli 2003 hatten Wolter, Beisicht und andere „Pro Köln“-Aktivisten in Köln-Poll unappetitliche Flugblätter gegen Flüchtlinge verteilt. Unweit von ihnen verteilten Antifaschisten Flugblätter gegen „Pro Köln“. Auf der Siegburger Straße begegneten sich dann Wolter und einige der Antifaschisten.
Was hier passiert sein soll, beschrieb „Pro Köln“ noch am selben Tag reißerisch auf seiner Internetseite: Ein „Schlägertrupp der ,Antifa K‘“ habe Wolter „überfallen und brutal zusammengeschlagen“. Die damals 25-Jährige hätte anschließend im Krankenhaus „ärztlich versorgt“ werden müssen und habe „multiple Prellungen“ erlitten. Außerdem habe ihr Handy schwerste Verletzungen erlitten: „Als Wolter die Polizei anrief, zerstörte einer der Täter ihr Mobiltelefon.“ Da jedoch „mehrere Anwohner geistesgegenwärtig sofort die Polizei riefen, konnte der komplette Schlägertrupp – er umfasste zehn Personen – festgenommen werden“. Sie würden „für den feigen Überfall im vollen Umfang straf- und zivilrechtlich einstehen müssen“, versprach „Pro Köln“.
Deswegen wurde nun also am Mittwoch unter reger Zuschauerbeteiligung gegen „vier Kölner Linksextremisten“ („Pro Köln“) – diejenigen des „Schlägertrupps“, die Wolter eindeutig wiedererkannt haben wollte – wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und Sachbeschädigung verhandelt. Doch die Verhandlung verlief anders, als es sich Nebenklägerin Wolter und ihr Rechtsbeistand Beisicht vorgestellt hatten.
Zu den konkreten Tatvorwürfen schweigend, verlasen die Beschuldigten – drei Männer und eine Frau – zunächst eine Erklärung über die rechtsextremen Hintergründe von „Pro Köln“, um das „große Interesse“ deutlich zu machen, das die selbst ernannte „Bürgerbewegung“, die am 26. September in den Kölner Rat einziehen möchte, an der Diffamierung und Kriminalisierung von Demokraten und Antifaschisten habe: „Dazu schreckt sie auch nicht vor Lügen zurück.“
Wie richtig sie damit lagen, arbeiteten danach ihre Anwälte akribisch in ihrer mehrstündigen Befragung von Judith Wolter heraus. Zunehmend verwickelte sich die Rechtsreferendarin in Widersprüche, musste bei zahlreichen unangenehmen Fragen „Erinnerungslücken“ geltend machen, so dass am Ende von den Vorwürfen nicht mehr viel übrig blieb.
Denn nicht einmal die Behauptung, ihr Handy sei zerstört worden, als sie gerade versuchte, die Polizei anzurufen, hielt der Vernehmung stand: Die Ex-„Republikanerin“, die sich selbst unter Gelächter aus dem Publikum als „wertkonservativ“ bezeichnete, musste einräumen, dass sie tatsächlich gerade mit dem sich ebenfalls in Poll aufhaltenden Beisicht telefonierte, als sich ihr eine Gruppe, die sie „wegen des Gesamteindrucks“ als „Linke“ identifiziert haben will, aus rund 200 Metern näherte. Nur: Wenn die Situation tatsächlich so bedrohlich war, wie sie sie erlebt haben will, und dann auch noch das Telefonat abrupt abbrach, dann hätte dies Beisicht mitbekommen müssen. Aber warum kam er dann seiner Kameradin nicht umgehend zu Hilfe? Oder rief zumindest die Polizei? Nein, es passte alles nicht zusammen.
So resümierte Oberstaatsanwalt Rainer Wolf in seinem Schlussplädoyer, fest stehe nur, „dass ein Zusammentreffen stattfand“. Für ihn ließ sich jedoch nicht mehr klären, was sich konkret bei dem Handgemenge abspielte und vor allem, wer neben Wolter an ihm beteiligt war. Die Konsequenz: Wie die Verteidigung beantragte auch der Ankläger, alle Angeklagten freizusprechen – zum großen Missfallen Beisichts. Aufgebracht versuchte der Anwalt, der zwischen Recht und rechts nicht so recht zu unterscheiden vermag, das Gericht doch noch davon zu überzeugen, wenigstens den Hauptangeklagten zu einer „empfindlichen Freiheitsstrafe“ zu verurteilen – indem er obszönerweise Judith Wolter mit den Opfern des Nationalsozialismus verglich. Doch seine Rede, die in braunen Bierzelten sicherlich für Begeisterungsstürme gesorgt hätte, ließ Richterin Henriette Custodis nur gequält die Augen verdrehen. Ihr Urteil am Ende eines anstrengenden Verhandlungstages: Freispruch.