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Archiv-Artikel

Village Voice Musikalische Raumbeschreibungen: Minimales Splittern zum Mitwackeln mit Gerwald Rockenschaub und sinnliche Ortserkundungen mit Thilges3

Gerwald Rockenschaub „Private Pleasures“ (Semishigure/Bottrop boy)

Die Beziehung von Raum zum Menschen und umgekehrt bildet seit Jahren der Rahmen für die visuellen oder akustischen Interventionen von Gerwald Rockenschaub. So wie diese riesige, monochrom grüne Holzwand, die er vor den Eingang eines Klubs setzte, wie im Januar diesen Jahres beim club transmediale in der Maria. Damit forderte Rockenschaub eine Aufteilung der ankommenden BesucherInnen heraus, die keinem ersichtlichen Prinzip zugrunde lag. Dass, wenn dieser Mann Musik produziert, es zu Verwirrungen kommt, liegt also auf der Hand.

Auf „Private Pleasures“, Rockenschaubs zweitem Album, sind 18 Titel zu finden. Sauber und akkurat baut Rockenschaub sein akustisches Brett aus minimalen Soundsplittern zusammen. Wie Comicsounds quietschen und rappeln die zwei- bis knapp siebenminütigen Tracks, „pp01“ bis „pp18“ geheißen, spröde daher. Zu schneidenden Blitzen verdichtete Melodien schnellen zwischen gebrochene Minimaltechno-Beats. Jede Ebene, gefüllt mit rhythmischem Doings, Autohupen oder Clicks & Cuts, ist dabei gleichberechtigt. Von diesen Kompositionen umgeben, fragt man sich allen Ernstes, was man mit dem Raum anfangen soll, in dem man sich befindet. Ihn betanzen? Es bleibt beim gelegentlichen Mitwackeln auf zwei Beinen. Ruhelos im Sessel hin und her zu rutschen, ist auch kein angenehmes Gefühl, denn zum tatsächlichen Hörgenuss ist dieses Album nicht gemacht.

Rockenschaub verdeutlicht mit „Private Pleasures“ vielmehr, wie ein Raum, der gerade noch ein Wohnzimmer war, zu etwas Anderem, Neutralem wird. Etwas, in dem man nicht mehr zu Hause ist und irgendwie doch. Denn im Echo der Musik formen sich altbekannte Musiken von Pink Floyd oder längst vergessene Rockacts, die man beim Hören von „Private Pleasures“ so zunächst nicht erkannt hat.

Wesentlich eingängiger setzen sich dagegen Thilges3 auf ihrem auf dem Berliner Staubgold-Label erschienenen Tonträger mit Raum auseinander. Im Zuge ihrer Arbeiten für das Eröffnungsprojekt zum Wiener Jeunesse-Festival „Orient-Okzident“ entstand das Projekt „izdiucz“. Verschiedene vor Ort lebende MusikerInnen, die aus dem orientalischen Raum stammen, wurden zu einem Orchester vereint. Trautonium und Synthesizer formen mit Asim Al Chalabis Oudklängen und dem Gesang Zohreh Jooyas ein episch anmutendes Zusammenspiel verschiedener Kulturen. Schmeichelnde Melodien, süß wie Honig, unterspült von klaren elektronischen Klängen. Der Begriff „izdiucz“ beschreibt im Arabischen übrigens die Verbindung zweier verschiedener Stoffe. So entsteht tatsächlich eine Symbiose, die einen soziokulturellen Ist-Zustand multiethnischer Orte beschreibt. Musikalische Stadtforschung sozusagen, wie sie auch in Berlin denkbar wäre. Und trotz der konzeptuellen Grundlage kommt das Sinnliche hier nicht zu kurz. Man kann also gespannt darauf sein, was sich die stets ortsbezogen arbeitenden Thilges3 an diesem Samstag beim Abschlusskonzert der „Suite in Parochial“-Reihe in der Parochialkirche (23 Uhr) einfallen lassen. MEIKE JANSEN