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Archiv-Artikel

Darfur bereitet der UNO Kopfzerbrechen

Sudans Regierung hat 30-Tage-Frist der UNO für Demobilisierung der Dschandschawid-Milizen in Darfur nicht erfüllt. Nun muss der Sicherheitsrat über eine „erheblich vergrößerte internationale Präsenz“ befinden. Das wird dauern

BERLIN taz ■ Die 30 Tage sind vorbei, und alle Seiten können ein wenig zufrieden sein. Nach dem Ablauf der Frist, die der UN-Sicherheitsrat der Regierung des Sudan am 30. Juli zur Entwaffnung der regierungstreuen Milizen in der Krisenregion Darfur gesetzt hatte, drohen dem Sudan keine Sanktionen. Nicht einmal ein Resolutionsentwurf lag dem Sicherheitsrat gestern vor, als er zu ersten Beratungen über mögliche Folgen aus der allseits festgestellten Nichterfüllung der UN-Bedingungen durch den Sudan zusammentrat. Aber auch die Kritiker des Sudan müssen nicht sofort verzweifeln. Allmählich, wenn auch sehr langsam, wird das Schicksal Darfurs eine internationale Angelegenheit.

„Weder hat die Regierung des Sudan die Krise in Darfur bewältigen können, noch hat sie einige ihrer zentralen Verpflichtungen erfüllt“, bilanziert UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Bericht, der dem Sicherheitsrat gestern als Beratungsgrundlage diente. „Eine erheblich vergrößerte internationale Präsenz in Darfur so schnell wie möglich ist erforderlich“, schlussfolgert er. Ziemlich viel schwebt ihm dabei vor: Überwachung der getroffenen Vereinbarungen; Aufbau und Ausbildung der Polizei und „Überwachung ihres Verhaltens“; Patrouillen und „proaktives Monitoring“ in allen Teilen Darfurs; „aktive und frühzeitige Vermittlung vor Ort“. Das soll der Bevölkerung ein Gefühl von „Sicherheit und Schutz“ geben.

Das sind hehre Aufgaben für die 3.000 Soldaten der Afrikanischen Union (AU), hauptsächlich aus Nigeria und Ruanda, um die es dabei geht. Das Schöne an einer großen AU-Truppe ist aus UN-Sicht, dass der UN-Sicherheitsrat sie gar nicht selber beschließen kann. Er kann sie befürworten und geht damit nicht die geringste Verpflichtung ein. Dies dürfte daher ein Teil des Wegs sein, den die UNO jetzt geht. Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien beraten darüber am kommenden Wochenende, bevor nächste Woche im Sicherheitsrat weitergeredet wird. Die große AU-Truppe hat den weiteren Vorteil, dass Sudans Regierung ihr schon zugestimmt hat – allerdings nur, wenn sie all die von Annan gewünschten Dinge nicht tut. Bei den laufenden Darfur-Friedensgesprächen in Nigeria sagte die sudanesische Regierungsdelegation schon letzte Woche zu, die AU-Truppe könne nach Darfur kommen und da die Rebellen entwaffnen. Als Gegenleistung werde die Regierung sich um die Dschandschawid-Milizen kümmern. Sudans Regierung behauptet schon seit Wochen, sie sei dabei, Dschandschawid-Milizionäre zu demobilisieren oder gar zu verhaften.

Laut UNO stimmt das zwar nicht: Begonnen habe lediglich die Entwaffnung der islamistischen paramilitärischen „Volksverteidigungskräfte“ (PDF), die aus Südsudan bekannt sind und in Darfur sowieso nichts zu suchen haben. Die Dschandschawid hingegen blieben aktiv, und sogar Sudans Regierungsstreitkräfte nähmen an Angriffen auf Zivilisten in Darfur teil. Aber das dürfte Sudans Regierung auch weiterhin nicht daran hindern, eine große AU-Truppe gutzuheißen und sich zugleich jedem wirkungsvollen Mandat einer solchen Truppe zu widersetzen.

Bleibt das Schicksal der 1,2 Millionen Vertriebenen in Darfur. Deren „freiwillige“ Umsiedlung in „sichere Zonen“ vereinbarte UN-Sonderbeauftragter Jan Pronk am 5. August mit der Regierung. „Konsolidierung ethnischer Säuberung“, nennt das Human Rights Watch. Der UN-Bericht äußert sich dazu nicht, weist aber darauf hin, dass die „sicheren Zonen“, in denen Menschen ohne Angst leben sollen, eigentlich als Modell für ganz Darfur gedacht sind. Doch Gedankenspiele führen nicht weiter. Das ist das eigentliche Problem der UNO in Darfur.

DOMINIC JOHNSON