: Attac soll schöner wohnen
GlobalisierungskritikerInnen denken darüber nach, eine Bildungs- und Gestaltungsgenossenschaft zu gründen. In dem sachsen-anhaltischen Städtchen Könnern steht dafür eine wunderschöne, ökosanierte Villa bereit
BERLIN taz ■ Herrschaftliche Villa. 400 Quadratmeter. Turmzimmer. Wintergarten. Ökosaniert. Solaranlage. Kraft-Wärme-gekoppelte Heizung. Parkartiger Garten. Für fünf Jahre mietfrei zu haben. Da blieb den GlobalisierungskritikerInnen von Attac doch die Spucke weg.
Wie kam’s? Es war wieder mal einer aus der Erbengeneration. Der Erbe ist Attac-Fan und hat, weil er in München lebt, keinen Bedarf, selbst die ehemalige Fabrikantenvilla zu bewohnen. Der einzige Haken ist, dass das schnuckelige Objekt ein wenig abseits liegt: im 5.700-Seelen-Städtchen Könnern im Landkreis Bernburg (Sachsen-Anhalt). Aber der Bahnhof ist nur 100 Meter entfernt und es gibt auch einen Autobahnanschluss.
Richard Schmid vom Attac-Koordinationskreis verficht deshalb die Idee, die Villa als Tagungszentrum oder alternative Volkshochschule oder sonst wie zum Wohlergehen der Bewegung zu nutzen. Schmid wohnt halb in Weimar, halb in der Villa, zum Hausmeister wäre er geradezu prädestiniert. Als Träger des Gästehauses schwebt ihm eine Genossenschaft vor. Eine kleine regionale Unterstützergruppe für das Projekt habe sich bereits gebildet, erzählt Schmid. Der jüngste Aktivist sei ein 17-Jähriger, die ältesten zwei 77-Jährige – ein ehemaliger Agrargenosse sowie ein Aktivist aus dem Friedenskreis Halle.
Die Villa sei indes nur „der kleinste Teil“ der geplanten Attac-Bildungs- und Gestaltungsgenossenschaft, stellt Richard Schmid klar. Die Grundidee sei, eine bundesweite „Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft in Sachen Bildung und Kultur“ aufzubauen, in der sich Anbieter und Nachfrager in Sachen Globalisierungskritik koordinieren können. In den Städten und Gemeinden könnten sich dann Ableger oder auch eigenständige Genossenschaften bilden.
Der Attac-Koordinationskreis als Leitorgan der Bewegung hält sich offiziell aus dem Projekt raus, da nach dem dort herrschenden Konsensprinzip dafür Einstimmigkeit erforderlich wäre. Die gibt es aber nicht, nur 4 von 19 KoordinatorInnen tragen die Genossenschaftsidee aktiv. Eine der UnterstützerInnen ist Ilona Plattner, Vertreterin von Frauen-Attac und Designerin von Beruf. Sie könnte sich vorstellen, die Villa im Sinne von Joseph Beuys als „soziale Plastik“ zu nutzen, als Gestaltungsfeld für das menschliche Miteinander von KünstlerInnen, PhilosophInnen und politischen AktivistInnen. Solchen Leuten könnte man anbieten, ein halbes Jahr umsonst in Könnern zu wohnen, um an ihren Kunstwerken oder Dissertationen zu arbeiten. „Und die Genossenschaftsstruktur entspricht ja auch dem Miteinander auf gleicher Ebene.“
Das Projekt ist jedenfalls auf dem Weg der Gründung. Im November will Richard Schmid durch die Attac-Ortsgruppen touren und Geno-Anteile sowie weitere Unterstützung sammeln. UTE SCHEUB