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Archiv-Artikel

Zwei Werke für eine Mittelklasse

Autokonzern General Motors spielt Fabriken in Rüsselsheim und Schweden gegeneinander aus. 20.000 Jobs bei Opel in Gefahr? Dementi der Firma

FRANKFURT/MAIN taz ■ Die Vorstände der Automobilgiganten packen die harten Bandagen aus. Nach Absatzeinbrüchen von 14 Prozent auf dem US-amerikanischen Markt im August 2004 will General Motors (GM) jetzt offensichtlich ein Stammwerk seiner defizitären Tochter GM-Europe schließen. Zu der Gruppe gehören Opel, Saab und Vauxhall. Treffen soll es entweder das Werk von Saab im schwedischen Trollhättan oder das Opelwerk in Rüsselsheim.

Die Hälfte der 20.000 bei Opel in Rüsselsheim beschäftigten Arbeiter und Angestellten wohnen in der monostrukturierten Stadt. Rechnet man deren Familienangehörigen dazu, ist gut ein Drittel der Einwohnerschaft direkt von Opel abhängig. Indirekt dürften es gut zwei Drittel sein, denn auch zahlreiche Handwerksbetriebe arbeiten fast ausschließlich für Opel. Und auch die Geschäftswelt in der „City“ und die gigantischen Einkaufszentren an der Peripherie der Stadt leben von den „Opelanern“.

Fernseh- und Radioreporter durchstreiften gestern die Opelstadt, um „Stimmen einzufangen“. Und sie bekamen von den Bürgern immer das Gleiche zu hören: „Wenn Opel zugemacht wird, gehen hier alle Lichter aus.“ Einige glauben allerdings, dass GM nur bluffe. Die Betriebsräte sollten bei den laufenden Verhandlungen um die Verlängerung des Standortsicherungsvertrags für Rüsselsheim unter Druck gesetzt werden, damit der Vorstand seine Sparmaßnahmen zu Lasten der Beschäftigten ohne größere Widerstände durchsetzten könne.

Der Konzernvorstand verlangt den Verzicht auf Teile von Weihnachts- und Urlaubsgeld und auf Lohnerhöhungen für die nächsten sieben Jahre. Und einen im Gegenzug von Gesamtbetriebsratsboss Klaus Franz geforderten Standortsicherungsvertrag will der neue Vorstandsvorsitzende Hans Demant partout nicht unterschreiben. Wie sollte er auch, wenn die neuesten Nachrichten aus Detroit, USA, stimmen? Ein Sprecher von Opel allerdings dementierte gestern die Schließungspläne von GM.

Im Vergleich mit dem bei GM gleichfalls zur Disposition stehenden Werk von Saab im schwedischen Trollhättan hält Rüsselsheim freilich die besseren Karten. In Rüsselsheim steht mit Leanfield das modernste Automobilbauwerk in Europa, das zu Zeit allerdings nur zu 60 Prozent ausgelastet ist. Die Belegschaft arbeitet deshalb nur 30 Stunden in der Woche – bei halbem Lohnausgleich. Der neue Saab könnte ohne große Umrüstungsprobleme in Rüsselsheim gebaut werden. Der neue Vectra dagegen nicht so ohne weiteres in dem als veraltet geltenden, im Vergleich mit Opel sehr viel kleineren Werk von Saab in Schweden.

Dort arbeiten 6.300 Menschen, noch einmal knapp 2.000 Arbeitsplätze stehen bei den Zulieferern auf dem Spiel. Die Entscheidung darüber, welches Werk geschlossen wird, soll Anfang 2005 in Detroit fallen. Denn davon ist GM wohl nicht mehr abzubringen: Nur noch in einem Werk des Konzerns in Europa soll demnächst die Mittelklasse aller europäischen Marken von GM gebaut werden.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT