: Harken statt ausharren
Die Erfahrung des letzten Jahres zeigt: Das Laubsammeln ist im Kampf gegen die Kastanien-Miniermotte die beste Lösung. In diesem Herbst lässt daher auch der Senat Laub sammeln
von RUDI NOVOTNY
Die Erkenntnis, die sich bei den Behörden nur zögerlich durchsetzt ist im Handel schon längst angekommen: Mit der Plastik-Laubkralle für 7,99 Euro hat kein Gartenbau-Center-Kunde mehr Mühe, der gefräßigen Miniermotte den Kampf anzusagen. Nur die Plaste-Flügelärmchen übergestreift, schon lässt sich das raschelnde Kastanienlaub in großen Mengen greifen.
Gegenüber so viel praktischem Geist, kommt die Herbstkampagne des Senats geradezu hölzern daher: „Rettet unsere Kastanien: Motten stoppen – Laub sammeln!“ Seit letzter Woche veranstalten die Bezirksämter Aktionstage, an denen Engagierte gemeinsam mit den Stadtangestellten Parks und Grünflächen reinigen können. „Die Berliner haben begriffen, dass das notwendig ist, um die Kastanie zu retten“, sagt Umweltsenator Peter Strieder: „Das hat auch die Sammelaktion im letzten Jahr gezeigt.“
Im letzten Jahr harkten mehr als 500 Erwachsene, über 1.000 Schüler und rund 150 Kita-Kinder durch das Herbstlaub. Ein Erfolgt, meint Holger Schmidt, Leiter des Pflanzenschutzamts Berlin. Von April bis Mitte September beobachtete seine Behörde an über 20 ausgewählten Stellen die Mottenpopulation. Fallen wurden aufgestellt, Motten gezählt, bilanziert. „Dort, wo das Laub im letzten Jahr gesammelt wurde, fanden wir ungefähr 40 Prozent weniger Tiere, als an den Stellen, an denen nichts geschah“, sagt Schmidt. Allerdings gebe es dieses Jahr mehr Motten als 2002. „Wir haben vier statt drei Mottengenerationen gehabt.“ Schuld war der heiße Sommer.
Mittel gegen den Falter haben bisher keinen durchschlagenden Erfolg gezeigt (die taz berichtete). Deshalb unterstützt auch Schmidt die Laubsammelaktion des Senats: „Das ist die einzige Möglichkeit, gegen das Problem anzukämpfen.“ Wahrscheinlich müsse auch nach dem 3. Oktober, dem offiziellen Ende der Laubsammel-Tage, weiter geharkt werden. „Wegen der Wärme werden die Blätter wahrscheinlich nicht alle vorher fallen“, sagt Henning Schahin, Mitarbeiter der Senatsumweltverwaltung. Weitere Sammelaktionen werden „dann entweder zwischen einzelnen Bürgern und Bezirksamt vereinbart, oder es werden neue Termine anberaumt.“ In diesem Fall würde auch die BSR mithelfen. „Wir haben einen Aktionszeitraum bis 17. Oktober“, sagt BSR-Pressesprecher Bernd Müller. Sowieso hätte sein Unternehmen schon Sonderfahrten geplant.
Problematischer scheint sich für die BSR die erstmalige Zusammenarbeit mit rund 100 Sozialhilfeempfängern zu gestalten. Sie sollten dem Unternehmen eigentlich beim Laubsammeln helfen. Nur zögerlich hätten sich die Leute bisher bei der BSR gemeldet, sagt Müller.
Wie im letzten Jahr, so gilt auch diesmal: Wer sich drückt, dem kann die Stütze gekürzt oder sogar gestrichen werden. „Wer von der Gesellschaft Solidarität erwartet, der muss auch solidarisch sein“, sagt Strieder dazu. So sieht es auch Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion: „Solange das keine Dauerbeschäftigung wird, ist das Laubsammeln absolut okay.“
Dennoch hatten sich auch im letzten Herbst nur wenige Sozialhilfeempfänger bei den Bezirksämtern gemeldet. Nur rund 250 Menschen, die von der Stütze leben, beteiligten sich schließlich an der Laubsammelei. „Die Beteiligungsquote war nicht so hoch“, räumt Beate Profé von der Senatsumweltverwaltung ein.
Da muss sich die Berliner Kastanie also wohl doch eher selber helfen. Tröstlich ist es daher, wenn der Baumexperte Holger Schmidt für die ortstypische weißblühende Rosskastanie eine Überlebenschance prognostiziert: „Es kommt äußerst selten vor, dass ein Parasit seinen Wirt und damit seine Lebensgrundlage vernichtet.“
All denjenigen, die lieber tatkräftig agieren und nicht geduldig auf die selbstregulativen Kräfte der Natur warten, bleibt nur eines: Laub sammeln.