: Werksschließung unter Beschuss
Sarkozy, Merkel, Wulff und der Betriebsrat haben wegen der angedrohten Werksschließungen Fragen an Conti: Was nützt ein Eckpunktepapier, warum wird nicht Kurzarbeit angemeldet?
VON KAI SCHÖNEBERG
Vive la France! Im Clairoix zündeten von Arbeitslosigkeit bedrohte Conti-Mitarbeiter am Donnerstag Reifen an und bewarfen Manager mit Eiern. Conti habe „keinen Kopf, keine Führung mehr“, pöbelte Senator Philippe Martini, die Schließung des Conti-Werks mit 1.120 Mitarbeiten sei von „Leuten ohne Verantwortung, ohne Mandat und ohne Strategie“ verkündet worden.
In Deutschland verläuft der Protest gegen geplante Schließung des Conti-Reifenwerks in Hannover gesitteter – aber es herrscht Einigkeit mit den Franzosen, dass noch nicht alles für die insgesamt 1.900 Mitarbeiter verloren ist. Man werde „noch einmal mit den Unternehmen darüber sprechen, ob es Zusagen gab, die eventuell nicht eingehalten worden sind“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Treffen mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy.
Überraschend hatte Conti am Mittwoch angekündigt, wegen Einbrüchen im Reifengeschäft die beiden kostenintensivsten Werke schließen zu wollen. Die Lkw-Reifenproduktion im Stammwerk in Hannover Ende des Jahres enden, 780 Beschäftigten droht die Kündigung.
Dagegen will der Betriebsrat in Hannover möglicherweise rechtlich vorgehen. Von einem „klaren Rechtsbruch“ sprach Betriebsrats-Vize Michael Deister. Das hätten erste juristische Prüfungen ergeben. „Das ist die alte Tradition: Conti bricht massiv Vereinbarungen“, wütete Deister und verwies auf ein Eckpunktepapier von Januar, in dem die Werksleitung den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen zugesichert hatte. Im Gegenzug waren Lohnverzicht und eine Ausweitung der Kurzarbeit geplant. Die Beschäftigten hätten auf 500 Euro monatlich verzichtet. Am kommenden Dienstag wird das Vorgehen bei einer Betriebsversammlung beraten.
Eine Conti-Sprecherin erwiderte, Grundlage für das Eckpunktepapier sei ein Produktionsvolumen von 930.000 Nutzfahrzeug-Reifen für das Jahr 2009 gewesen. Durch den Markteinbruch habe sich die Planung auf inzwischen rund 380.000 Reifen verringert. Damit sei die Grundlage für das Papier weggefallen, dieses sei daher auch vom Conti-Vorstand nicht unterschrieben worden.
Einen „Schlag gegen die Arbeitnehmer bei Continental“ nannte ein Sprecher von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die Schließungspläne. Die Landesregierung habe, „wie der Betriebsrat auch, Fragen an das Unternehmen“. Der Sprecher betonte, „möglicherweise“ gebe es „bessere Lösungen als Werkschließungen“, zum Beispiel Kurzarbeit. Wulff werde sich auf seiner Japan-Reise am kommenden Donnerstag in Tokio mit Conti-Vorstandschef Karl-Thomas Neumann treffen. Zudem stehe er in „ständigem Kontakt mit der Kanzlerin“, sagte der Sprecher, die SMS sei dafür „bevorzugtes Medium“. Markig formulierte es die SPD: Sarkozy habe Merkel in Sachen Conti „wachgeküsst“. Von den Franzosen „lernen heißt, endlich eine eigenständige Industriepolitik zu formulieren“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Gerd Will.