In der Wanne

Die poetischen Polizisten

Festgenommen! Keine Sorge, kriminell bin ich eigentlich nicht, doch wie fast alles liegt nun mal auch Kriminalität im Auge des Betrachters. Sie zum Beispiel würden vermutlich einen Vögel und Würste malenden Street-Art-Künstler nicht als Kriminellen bezeichnen, bei mir reicht die Toleranzgrenze etwa bis zum Geldtransporterüberfall ohne verletzten Wachmann. Wie auch immer, wegen eines Delikts irgendwo dazwischen saß ich also des Nachts in einer der charmanten Polizeiwannen mit Eigengeruch und wartete auf meine bevorstehende Entlassung nach Feststellung der Personalien.

Nach 20 Minuten probte ich den zivilen Ungehorsam und bat darum, endlich gehen zu können, schließlich handelte es sich nur um ein Bagatelldelikt, und vor dem Watergate wartete noch die eine oder andere Verabredung auf mich. Der Beamte betrachtete mich eingehend. Ich schien nicht in sein Bild eines typischen Taugenichts zu passen, und so fragte er mich allerlei private Dinge, von den Lebensumständen bis hin zum Beruf.

„Ach, Sie schreiben“, bemerkte er etwas abschätzig, „komisch, meine Tochter macht das schon seit der ersten Klasse!“ So bestätigte er mir freundlicherweise das ihm zugetraute Humorniveau. Sein Kollege kam hinzu: „Künstler sind Sie? Na, da hab ich was für Sie“, begann er und sorgte mit dem folgenden Vers selbst bei mir für eine Mischung aus Mitgefühl und Anerkennung: „Das Leben entspringt auf alle Fälle – in einer Zelle / Doch manchmal endet’s auch bei Strolchen – in einer solchen.“ Sprach’s und verbeugte sich. Für diese Vorstellung versprach ich ihm eine Erwähnung in einem Artikel, und er versprach mir, in den nächsten Wochen die taz zu kaufen. Meinen Teil habe ich hiermit erfüllt. JURI STERNBURG