Preisverdächtige Frotteelatschen

Beim Deutschen Fernsehpreis kann sich Gastgeber RTL wie erwartet vor Auszeichnungen kaum retten. Mit der 5. Gala ist der Preis da angekommen, wo er nie hinsollte. Und die wichtigste Frage des Abends heißt endlich wieder: „Von wem ist das Kleid?“

aus Köln MARTIN WEBER

Die Preisschlacht ist geschlagen, die Büffets sind dezimiert, unzählige Grinsekatzen-Fotos im Kasten. Was man unter anderem auch daran ablesen kann, dass eine der meist fotografierten Frauen des Abends sich endlich mal ein bisschen gehen lassen kann: Barbara Schöneberger hat das hochhackige Schuhwerk abgelegt, die geplagten Füße stecken in weißen Frotteelatschen.

Fernsehen – Freuen – Fressen: Hello again beim „Deutschen Fernsehpreis“, einer inzestuösen Veranstaltung, bei der sich eine ganze Branche alle Jahre wieder selbst auf die telegene Schulter klopft. Zum diesem Behufe wird das Coloneum, das Vorzeigeprojekt der „Medienstadt“ Köln, tüchtig herausgeputzt.

Ein durch und durch unglamouröser Ort bleibt der Zweckbau trotzdem, und die Gründe dafür sind so vielfältig, wie die eine oder andere Garderobe des Abends definitiv geschmacklos ist: Marietta Slomka, Anchorwoman des „heute journal“, flanierte tatsächlich zweimal – beim zweiten Gang wird man besser gesehen?! – über den roten Teppich. Bei Michelle Hunziker, als Moderatorin garantiert vollkommen talentfrei, ist das Gedrängel der Fotografen und das Gekreische der Fans am heftigsten. Und sogar Menschen, die im nächsten Jahr sicher nicht mehr über den roten Teppich stolzieren dürfen, mussten die am häufigsten gestellte Frage des Abends – „Von wem ist das Kleid?“ – beantworten. „Das ist aus der Finalshow von DSDS“, sagt Supersternchen Juliette Schoppmann, „ich bin langweilig, ne?“ Mal ganz abgesehen von der Textilie: Selten war eine Selbstanalyse treffender.

Kaum spannender ging es im Inneren des Coloneums zu. Harald Schmidt gestand, nur gekommen zu sein, um im Anschluss an die Verleihung zusammen mit Günther Jauch, dem Moderator des Fernsehpreises, noch „ein paar Hektar Regenwald zu retten“, nahm dann aber vollkommen zu Recht den Preis für die beste Comedy-Sendung mit nach Hause. Peter Kloeppel, ausgezeichnet für die „Beste Moderation Information“, stellte in seiner Dankesrede unter Beweis, welche eitler Gecko er doch ist: „Zwölf Jahre in diesem Job, und graue Haare hab ich immer noch nicht.“ Und Atze Schröder, prämiert für die beste Sitcom, trägt auch semiprivat dieselbe bescheuerte Frisur wie bei seinen Comedy-Bemühungen.

Wie üblich frisurentechnisch auch ganz weit vorn: Antonia Rados, geehrt für die beste Reportage, deren Haupthaar auch bei einer medialen Festivität so prima sitzt wie beim Bombardement Bagdads. Und sollte sich spätestens hier der Verdacht aufgedrängt haben, dass RTL als Ausrichter der Preisverleihung ungewöhnlich viele Auszeichnungen von der unabhängigen Jury unter Vorsitz von Helmut „Fakten, Fakten, Fakten“ Markwort einfahren konnte, so kann man nur konstatieren: Jawohl, so ist das leider – RTL bekam neun Preise zugesprochen, die ARD sechs, Sat.1 und das ZDF jeweils drei, Pro 7 zwei, der WDR, der NDR, der SWR und Premiere je einen. Dass Formate wie „Deutschland sucht den Superstar“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, bei denen man als Mensch mit ästhetischem Empfinden einen Spontan-Herpes entwickeln muss, Publikumspreise abräumen, ist nachvollziehbar; das Gros der Menschheit ist so. Dass sie von Fachleuten für gut befunden werden (Gewinner in der Kategorie „Beste Unterhaltungssendung“ respektive „Beste tägliche Sendung“), ist alles andere als eine lässliche Sünde – ebenso wie die Tatsache, dass ein schönes und mutiges Stück Fernsehen wie das „Schwarzwaldhaus 1902“ leer ausging. Immerhin: Das niveauvolle Diskussionsformat „Hart, aber fair“ wurde als beste Informationssendung berücksichtigt, Moderator Frank Plasberg freute sich ehrlich und war damit als Fernsehschaffender so nah an der Realität dran wie sonst an diesem Abend nur noch die mit dem Förderpreis bedachte Luise Helm. Sie hoffe, dass sie mit dem Preisgeld das Geld für „das teure Kleid“ wieder drinhabe, sprach Luise Kelm, bibbernd vor Aufegung. Nun denn: 7.500 Euro sollten reichen. Alle Preise also verliehen, viele brennende Fragen offen: Werden auch im nächsten Jahr wieder 200 Kilo Haifischfleisch gereicht? Sollte die Catering-Firma nicht ein paar Flaschen Schampanski mehr ordern, um Erscheinungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ sicher wegzusaufen? Und vor allem: Wird Barbara Schöneberger die müden Füßchen zu vorgerückter Stunde wieder in Frotteelatschen parken? Antworten dazu spätestens in zwölf Monaten. Beim Deutschen Fernsehpreis 2004.