Neue Branche, neues Glück

„Unsere Zuschauer haben kein Abitur. Denken Sie daran!“: Die vierte Berliner Drehbuch-Fachmesse scriptforum zeigte, dass die Stoffentwicklung in Deutschland nicht mehr in den Kinderschuhen steckt

von SANDRA LÖHR

Messe! Drehbuch! Produzenten! Förderer! Alle da! Da klingelt es doch in den Ohren von so manchem, der in der Schublade noch ein Drehbuch liegen hat, das er gerne mal an den Mann, an die Frau oder am besten gleich an den Produzenten bringen möchte. Und wo doch der Eintritt für eine Tageskarte nur schlappe 55 Euro kostet, um sich Zutritt zu verschaffen zum deutschen Branchentreffen der dramaturgierenden und stoffentwickelnden Film- und Fernsehschaffenden, welches hoffnungsvolle Talent wollte da widerstehen, nicht in die eigene Zukunft investieren? Junge, kreative DrehbuchautorInnen, denen braun gebrannte, schick verlebte Männer mit teuren Produzenten-Anzügen begierig die dicken Packen weißer Blätter aus der Hand rissen, sah man dann aber doch nicht auf der „Scriptforum Conference“, die bis zum vergangenen Samstag in Berlin stattfand und bei der es ums Drehbuch und die Stoffentwicklung ging.

Stattdessen hätte es auch ein Psychologenkongress oder eine Lehrerfortbildung sein können, so freundlich und professionell war alles organisiert. Die Atmosphäre war familiär, man konnte Kaffee, Saft und gesunde Brötchen zu zivilen Preisen kaufen und die Räume trugen Namen wie „Carrière“ oder „d’Amico“, Namen also, die eher nach geblümten Schlafsofas klangen als nach berühmten Drehbuchautoren. Seit vier Jahren gibt es die scriptforum-Messe nun schon – sie hat sich zur festen Größe in der Film- und Fernsehwelt entwickelt.

Die Messe zeigt, dass der Bereich der Stoffentwicklung in Deutschland in den letzten Jahren endgültig den Kinderschuhen entwachsen ist und sich nach angloamerikanischem Vorbild neue Berufe wie Script Consultants und zahlreiche andere Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten entwickelt haben.

Zwar hat die Medienkrise auch hier ihre Opfer gefordert, aber der Schritt zur Professionalisierung einer ganzen Branche ist nicht rückgängig zu machen und dem Erfolg der Messe tut die Krise sowieso keinen Abbruch. Sie ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich gewachsen. Und so war in diesem Jahr zwar immer wieder zu hören, dass die Zukunft für Stoffentwickler, Dramaturgen und Drehbuchautoren eher düster aussehen werde, aber trotzdem quetschten sich im Atrium noch mehr Aussteller als im letzten Jahr hinter ihre Stände und boten bunte Broschüren mit teuren Kursen für den Nachwuchs an.

Neben den üblichen Präsentationen von Förderern, Drehbuchschulen, Produktionsfirmen und Sendern wie ZDF und Sat.1, die sich vorstellten und Tipps wie „Unsere Zuschauer haben kein Abitur. Denken Sie daran!“ (Sat.1) und „Es wird weniger 90-Minuten-Filme geben, sondern mehr 45- oder 60-Minuten-Filme“ (ZDF) lieferten, gab es spannende Diskussionsveranstaltungen.

Auf denen wurde kritisch gefragt, wie erfolgreich eigentlich die junge Profession wirklich sei, wie viel „Developement“ sich die Film- und Fernsehbranche eigentlich leisten müsse, könne oder wolle oder ob Dramaturgen nicht nur eine lästige Spezies seien, die sich in die Nahrungskette von Autor, Produzent und Sender einklinkten. Beklagt wurde außerdem, was immer beklagt wird, nämlich dass es zu wenig Geld und Einfluss für das kreative (schreibende) Fußvolk gibt und noch viel weniger Geld für die Entwickler und Dramaturgen, da die Sender meistens nicht bereit seien, neben dem Autorenhonorar auch noch die externen Entwicklungskosten eines Stoffes mitzufinanzieren. Stephan Ottenbruch von Sat.1 wehrte die Klagen mit dem väterlich-pragmatischen Rat ab, sich damit doch bitte schön an die Produzenten zu wenden, was ein kollektives wütendes Murren zur Folge hatte, das sich allerdings zu keinem wirklichen verbalen Protest auswuchs, denn wer weiß, vielleicht muss man ja mit dem nächsten Stoff seine Brötchen bei Sat.1 verdienen?

Zum Schluss konnte man sich noch für 2,50 Euro am Drehbuchdialog-Schreiben erproben und am „Writing Tournament“ des Filmboard Berlin-Brandenburg teilnehmen, bei dem als Gewinn 1.000 Euro winkten. Dafür saß man dann vor einem Computer in einem verglasten Raum mit zehn anderen, in den die ganze Zeit die anderen Messeteilnehmer hineinstarren konnten, und musste sich innerhalb von 90 Minuten live und sozusagen unter Beobachtung eine siebenseitige Szene ausdenken, in der sich „ein Protagonist in einer aussichtslosen Lage befindet, aus der ihm in letzter Minute eine Berliner Besonderheit rettet“. Nach einer Stunde ergebnislosen Nachdenkens und alibihaften Tippens fürs starrende Publikum wollte einem einfach keine rettende Berliner Besonderheit einfallen, die einem aus der aussichtslosen Lage hätte befreien können, und so wechselte man beschämt wieder ins journalistische Lager. Gewonnen hat dann jemand anderes.