Tilburg statt Brasilien

Borussia Dortmunds sportliche und finanzielle Krise geht weiter. Positivmeldungen kommen nur von den Fans

RUHR taz ■ Gegen Weltmeister Brasilien mag Christian Wörns am Mittwoch nicht spielen, doch zum Testspiel gegen Willem II Tilburg trat der BVB-Verteidiger an. 90 Minuten lang rannte und rackerte der National-Stopper am Freitag Abend gegen das Team aus der niederländischen Eredivisie und sorgte für Abwehrstabilität beim 1:0-Erfolg – was Jürgen Klinsmann wohl davon hält? Das Länderspiel in Berlin jedenfalls sagte Wörns wegen Achillessehnen-Problemen ab – der Kapitän konzentriert sich auf seinen kriselnden Verein.

„Ein wichtiges Spiel gegen einen starken Gegner“, wollte Dortmunds Trainer Bert van Marwijk gesehen haben. Während die besten Fußballer Europas in diesen Tagen WM-Qualifikationsspiele austragen, konnte der BVB – etwas ersatzgeschwächt – für die Liga üben. Ohne die sportlich verreisten tschechischen Nationalspieler Rosicky und Koller spielten etwa auch die Fußball-Vizeweltmeister Lars Ricken und Sebastian Kehl beim Freundschaftsspiel in Bocholt mit. Die Zeiten, da Dortmund gleich im Dutzend Auswahlspieler in ganz Europa stellte, sind vorbei – auch so ein Zeichen der Borussen-Dauerkrise.

Nach dem kläglichen Aus im UI-Cup, der gescheiterten Verpflichtung des Eindhovener Mittelfeldspielers Mark van Bommel und dem schwachen Ligastart sieht Coach van Marwijk seine Elf immerhin auf einem guten Weg. „Mit den ersten 35 Minuten war ich zufrieden, doch danach haben wir den Gegner zu sehr kommen lassen“, analysierte der Trainer die hundslangweilige Pausenpartie vor 1.200 Zuschauern.

Doch die sportlichen Konsolidierungsversuche werden an diesem Wochenende von neuen finanziellen Schadensmeldungen überlagert. Nach einem Spiegel-Bericht musste sich der börsennotierte Bundesligist erneut auf die Suche nach Geldquellen machen. Der Verein habe den Leverkusener Finanzdienstleister DFM Fonds engagiert, der ein monatliches Honorar von 58.000 Euro für die Beratung in Finanzfragen erhalte. Zudem sei der Fonds-Gesellschaft eine Provision über 394.400 Euro für die Vermittlung eines Investors, des Internationalen Bankhauses Bodensee, überwiesen worden. Der Spiegel beruft sich auf BVB-Insider, die bis Mitte Oktober mit einem Halbjahresdefizit von angeblich rund 60 Millionen Euro rechnen.

Positivmeldungen produzieren am Borsigplatz nur die Fans. 70.000 Anhänger schauen sich im Westfalenstadion geduldig die Einspielversuche der Marwijk-Mannschaft an. Und 5.000 von ihnen bekommen mal wieder ein richtiges Fanzine zu lesen. Das bisherige Online-Magazin Schwatzgelb.de wird am 18. September zum Bayern-Heimspiel in dieser Auflage erstmals gedruckt erscheinen. Während die Fanzine-Bewegung in anderen Liga-Städten wie Bochum (VfouL) und Düsseldorf (Comeback) schon Ende der 1990er Jahre zerfiel, haben die Schwatzgelb-Macher vor vier Jahren im Internet angefangen und gehen jetzt offline in Druck. „Die Print-Ausgabe ist ein Versuch, wir finanzieren uns über Werbung“, sagt Guido Schulz von der 20-köpfigen Schwatzgelb-Redaktion. Im ersten Heft gibt es ein Marwijk-Interview. Auch mit den Hintergründen der BVB-Finanzprobleme beschäftigen sich die Fanzine-Macher regelmäßig, so Schulz: „Und das, obwohl uns ein Journalist der Süddeutschen Zeitung schon mal als ‚vorstandskonform‘ bezeichnet hat.“

MARTIN TEIGELER