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Archiv-Artikel

Zu jung für die Straße

Hamburg hat ein Metropolenproblem: immer mehr Jugendliche leben auf Platte. Ein einmaliges Wohnprojekt bietet in Harburg Platz für 19 junge Obdachlose. Ihr Leben soll dort wieder neue Strukturen bekommen

Mit einem bisher einzigartigen Modellprojekt richtet sich Hamburg seit dem heutigen Montag an Jugendliche und junge Erwachsene, die auf der Straße leben. Der Träger Fördern und Wohnen bietet in der Harburger Unterkunft „An der Hafenbahn“ 19 Plätze für wohnungslose Jugendliche an. Einzige Bedingung: die jungen Leute müssen bereit sein, ihr Leben zu ordnen.

„Wir wollen die Jugendlichen an die Hand nehmen“, sagt Jasmin Eisenhut, Sprecherin der Sozialbehörde. Mindestens drei, höchstens aber sechs Monate lang leben die Jugendlichen in den Wohnbereichen. Sozialpädagogen helfen ihnen bei Ämtergängen oder bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Wichtig ist, dass der Kontakt mit den Langzeitwohnungslosen vermieden wird“, sagt Eisenhut. Durch die räumliche Trennung vom Wohnungslosenmilieu soll vermieden werden, dass sich die bisherige Situation bei den Jugendlichen verfestigt, so die Sprecherin.

Bisher teilen sich in Hamburg junge und alte Obdachlose die öffentlichen Einrichtungen. Von den rund 2.500 Wohnungslosen, die 2008 die angebotenen Schlafplätze nutzten, waren etwa 220 im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. Wie viele Jugendliche insgesamt auf Hamburgs Straßen leben, kann die Sozialbehörde noch nicht sagen. Derzeit jedoch führe die Stadt eine Obdachlosenbefragung durch. Die Ergebnisse werden für Ende März erwartet.

Laut Terre des hommes sind bundesweit rund 9.000 Jugendliche und junge Erwachsene ohne Dach über dem Kopf. „Das ist vor allem ein Metropolenproblem“, sagt der Sprecher Athanasios Melissis. Wie ein Magnet zögen Städte wie Berlin und Hamburg jugendliche Obdachlose an. Sozialarbeiter und Einrichtungen schlagen zudem schon lange Alarm, weil die Zahl der so genannten Straßenkids steigt. Anders als Langzeitwohnungslose sind sie oft von zu Hause weggelaufen, haben Probleme in der Familie und in der Schule. „Man muss versuchen, sie von den Drogen und vom Alkohol wegzubekommen und dann brauchen sie neue Strukturen in ihrem Leben“, sagt Melissis.

Der Hamburger Verein Basis und Woge, der sich um junge Menschen in Krisensituationen kümmert, begrüßt das Wohnprojekt in Harburg. „Solche Angebote sind wichtig, weil die Problemlagen bei Jugendlichen andere sind als bei älteren Obdachlosen“, sagt Meent Adden, Verantwortlicher für den Bereich Jugend- und Sozialarbeit. Die wachsende Zahl wohnungsloser Jugendlicher begründet Adden unter anderem mit der Berührungsangst vor den Ämtern. Seit der Einführung von Hartz IV seien arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren dazu gezwungen, bei ihren Eltern wohnen zu bleiben. Wollen sie allerdings raus aus den oftmals zerrütteten Familienverhältnissen, müssten sie dies bei der Arge beantragen. Da seien viele Jugendliche gehemmt, sagt Adden.

Diese Angst soll den Betroffenen in dem Hamburger Wohnprojekt mithilfe von Sozialpädagogen genommen werden. Laut der Sozialbehörde ist vorerst eine Modellphase von einem Jahr geplant. Ist diese abgelaufen, entscheidet die Stadt je nach Erfolg über die Fortführung oder sogar über eine Ausweitung des Projekts. UTA GENSICHEN