: Graf Zahl ist kein Wachtmeister
Die veröffentlichten Teilnehmerzahlen zu den Montagsdemos schwanken stark. Innenministerium sieht weniger, die Veranstalter mehr Marschierer. „Je nachdem, wo das Herz schlägt“
VON ANNIKA JOERES
Die Zahl der aktiven Hartz-GegnerInnen ist zum Politikum geworden: Das NRW-Innenministerium geht von 7.600 TeilnehmerInnen der Montagsdemos aus, die Veranstalter veranschlagen doppelt so viele. Schon in der vergangenen Woche sollen offiziell 8.400 Menschen an den Anti-Hartz-Kundgebungen beteiligt gewesen sein, inoffiziell waren es 15.000. Verantwortlich für den Chiffrenmix sind unterschiedliche Quellen: Das Ministerium beruft sich auf Schätzungen der örtlichen Polizei, die Organisatoren zählen selbst.
Die Gewerkschaft Verdi glaubt, dass die Zahlen interessengelenkt sind. „Je nachdem, auf wessen Seite das Herz des Polizeichefs schlägt sind auch die Angaben“, sagt Günter Isemeyer, Sprecher des Landesverbandes NRW. Das sei schon immer so gewesen. „Wesentlicher ist, dass der Trend eindeutig nach oben geht“, sagt Isemeyer. Schließlich seien diesen Montag wieder einige tausend Menschen mehr auf der Straße gewesen, trotz der anderslautenden Schätzung des Innenministeriums.
„Wir zählen nur die Angaben der Polizei zusammen“, sagt Angelika Flader, Sprecherin des Innenministeriums. Wie bei jeder Schätzung könnten die Zahlen aber schwanken. „Da stoßen an der einen Ecke wieder Menschen zur Demo, an der anderen gehen welche weg.“ Sie glaubt aber trotzdem, dass die Zahlen der Polizei zuverlässig seien.
Das glaubt natürlich auch die Polizei selbst. „Unsere Kollegen vor Ort haben den Überblick“, sagt Andreas Czogalla, Sprecher der Düsseldorfer Polizei. Wie die Zählung abläuft, kann er allerdings auch nicht sagen. „Das macht jeder anders, der eine zählt, der andere schätzt ab.“ Man könne zum Beispiel grob sagen, wie viele Leute auf einen Platz passten. Die unterschiedlichen Angaben findet Czogalla ganz normal. „Jeder hat sein Interesse.“ Die Karnevalsumzüge würden Köln und Düsseldorf auch immer größer rechnen, um ihr Image zu polieren. Nur seine eigenen Kollegen hätten kein Interesse an der Zahlenakrobatik. „Wir sind neutral.“
Das bezweifelt Martin Pausch, Organisator der Dortmunder Montagsdemo. Nach seinen Zählungen gingen vorgestern Abend 1.200 Menschen in Dortmund demonstrieren, die Polizei sagt 700. Pausch sagt, ein Polizist habe ihm verraten, dass die Zahl nach unten korrigiert werden solle, um die Anzahl der benötigten Einsatzkräfte zu minimieren. „Die Regierung hat Angst vor eine großen Demowelle.“ Er habe mit der Stoppuhr in der Hand am Rand der Demo gestanden. „Ich habe Demonstranten pro Abschnitt und Zeit gezählt, meine Zahl stimmt.“ Das Interesse am Protest sei sogar gewachsen, ab heute gebe es tägliche Infostände in der Stadt.