: Sozialamt sieht gelassen in die Zukunft
Bei der Kölner Montagsdemo gegen Hartz IV dreht sich alles um Wohngeld und 1-Euro-Jobs. Während Sozialdezernentin Marlis Bredehorst Ängste vor einem Zwangsumzug zu zerstreuen sucht, kontern Kritiker mit Geschichten von drohenden Räumungen
Von Susanne Gannott
Die gute Nachricht verkündete „Marion von den Erwerbslosen“ gleich zu Beginn der Montagsdemo auf dem Roncalliplatz: „Der DGB ist mit im Boot!“ Dass die seit fünf Wochen laufenden Kölner Anti-Hartz-Proteste jetzt offiziell von den Gewerkschaften unterstützt werden, bejubelten die knapp 800 Demonstranten.
Allerdings dämpfte DGB-Regionschef Wolfgang Uellenberg-van Dawen gegenüber der taz allzu hohe Erwartungen. „Unterstützung heißt Unterstützung und nicht mehr.“ Aber auch der Geschäftsführer des Kölner Arbeitslosenzentrums (KALZ), Thomas Münch, einer der Mitorganisatoren der Demo, beurteilte den Beschluss des regionalen DGB-Vorstands vom Montag als „ganz wichtig“. Zwar sei noch nichts Konkretes vereinbart worden. Er gehe jedoch davon aus, dass der DGB sich in Zukunft „politisch, inhaltlich und logistisch“ einbringen will.
Indes hätten die Gewerkschaften, wenn sie denn dagewesen wären, auch schon am Montag einiges zu den Themen des Tages sagen können: 1-Euro-Jobs und Mieten. In der Frage der Mietzahlungen machte KALZ-Mitarbeiter Bernd Mombauer der Stadt schwere Vorwürfe. Schon jetzt sei es „gängige Praxis“ des Sozialamts, Sozialhilfeempfängern die Unterstützung zu kürzen, wenn sie in einer „zu teuren“ Wohnung lebten. Da auch für Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) die „angemessene Miethöhe“ auf Sozialhilfeniveau festgelegt worden sei, werde das bei ihnen wohl genau so laufen. „Diese Miethöhe ist aber seit mehr als sieben Jahren nicht mehr an die Lebenshaltungskosten angepasst worden – schon gar nicht an den neuen Mietspiegel“, rief Mombauer den Teilnehmern der Demo in Erinnerung.
Was dies für Betroffene bedeute, schilderte er anhand des Falls „Frau S.“: Die 58-jährige Sozialhilfeempfängerin lebe in einer 44-Quadratmeter-Wohnung, die 140 Euro teurer sei als die „angemessene“ Miete von 297 Euro für eine Einzelperson. Und weil sie keine billigere Wohnung gefunden habe „und in ihrer kleinen Wohnung auch keinen Untermieter aufnehmen wollte“, habe das Sozialamt ihre Miethilfe auf den „angemessenen“ Betrag gekürzt. Den Rest der Miete müsse die Frau nun von ihrer Sozialhilfe bezahlen, wodurch sie nur noch 40 Euro in der Woche zum Leben übrig habe, so Mombauer.
Dass die Mietobergrenzen derzeit zu niedrig sind, gab auch Sozialdezernentin Marlis Bredehorst zu, die sich auf der Abschlusskundgebung am Alter Markt den Montagsdemonstranten stellte. Bredehorst erklärte, die Grenze werde aber deshalb nicht erhöht, „damit die Vermieter nicht die Mieten anheben“. Trotzdem akzeptiere die Stadt höhere Mieten bei „den meisten“ Sozialhilfeempfängern. „Nur in Einzelfällen kann es sein, dass wir verlangen, dass man in kleinere und billigere Wohnungen umzieht.“ Wenn man jedoch nachweise, dass man sich erfolglos um eine andere Bleibe bemüht habe, „akzeptieren wir auch das“. Dies werde auch beim ALG II so bleiben, versprach Bredehorst. „Wir werden uns drauf berufen“, hallte es ihr aus dem Publikum entgegen, das die ganze Rede sichtlich aufgewühlt verfolgt hatte.
KALZ-Mitarbeiter Mombauer konnte Bredehorst allerdings nicht überzeugen: „Das stimmt nicht mit den Einzelfällen“, sagte er anschließend der taz. Allein ins KALZ kämen jeden Monat fünf bis sechs Leute, denen die Miethilfe gekürzt worden sei und die deshalb vor der Zwangsräumung stünden. „Was das Sozialamt den Betroffenen nicht sagt: Nur wenn man lückenlos wie in einem Tagebuch seine Wohnungssuche dokumentiert, kann man in der ‚zu teuren‘ Wohnung bleiben.“ Ansonsten unterstelle das Amt mangelnde Mitarbeit – und kürze die Sozialhilfe.
Auch beim Thema 1-Euro-Jobs war Mombauer nicht zufrieden mit den Ausführungen Bredehorsts. Die Sozialdezernentin hatte den Demonstranten erklärt, dass sie lieber von „Arbeitsgelegenheiten“ statt von „1-Euro-Jobs“ reden möchte und dass die Stadt mit dem Jobcenter eine „ganz gute Regelung“ gefunden habe, die man, so weit es geht, fortsetzen wolle. Laut Mombauer führt das Jobcenter vor allem dazu, dass Menschen aus der Hilfe hinausgedrängt werden. Ins KALZ kämen laufend junge Leute mit einem dicken Stapel abgelehnter Bewerbungen. „Die wissen nicht weiter, weil man ihnen im Jobcenter gesagt hat: ‚Such dir erstmal einen Job, dann brauchst du auch keine Hilfe‘!“