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Archiv-Artikel

Harte Jahre im Land des Geldes

Reichtümer hat Armando Rodrigues de Sá in Deutschland nicht anhäufen können. 1979 starb der „einmillionste Gastarbeiter“ 53-jährig in seiner Heimat Portugal an Krebs

Wenige Stunden nach seinem Empfang am Deutzer Bahnhof fährt Armando Rodrigues de Sá am 10. September 1964 nach Stuttgart weiter und von dort nach Blaubeuren, um in einer Zementfabrik zu arbeiten. Später wird der „einmillionste Gastarbeiter“ auch in Sindelfingen arbeiten. Er lebt sparsam, geht nur sonntags ins Café, um Landsleute aus Portugal zu treffen. Er wohnt in einer Baracke: zwei Küchen, eine Gemeinschaftstoilette, im Schlafraum Stapelbetten. Zwei bis drei Mal pro Woche schreibt er nach Hause – über Deutschland nur Gutes. Es sei aber auch „ein Land des Geldes“, bemerkt er. Und: Man müsse einen starken Magen haben.

Er ernährt sich von Kartoffeln und Konserven. Bei einem Unfall trifft ihn ein Brett am Mageneingang. Die Schmerzen beachtet er kaum. Zwei bis drei Mal jährlich fährt er nach Hause. 1970 verlängert er seinen Winteraufenthalt um einen Monat. Als er zurückkehrt, stehen keine Stellen mehr zur Verfügung. Er sucht anderswo Arbeit. Die bekommt er in Mainz-Kastell, hat dort aber wegen fehlender Papiere Abzüge. Deshalb fährt er ein halbes Jahr später nach Hause, um sich den Nachweis seiner Eheschließung zu holen. In Portugal plagen ihn Magenschmerzen. Er sucht einen Arzt auf, der ihm empfiehlt, zu Hause zu bleiben, mit den Worten: „Wenn Du zurück nach Deutschland gehst, wirst Du Deine Knochen dort lassen.“

Armando Rodrigues de Sá befolgt diesen Rat. Im Laufe der Jahre verschlimmern sich die Schmerzen. Aufgrund neuer Interpretationen früherer Röntgenaufnahmen stellt sich heraus, dass er schon länger an einem Tumor leidet. Der weitere Verlauf der Krankheit zwingt die Familie, sich seine Rente auszahlen zu lassen. Medikamente müssen aus Spanien geholt werden, Krankenhausaufenthalte folgen. Eine Heilung scheint nicht mehr möglich. Zum Schluss gibt es nur noch Morphin gegen die Schmerzen. 1979 stirbt er an Krebs.

Reichtümer hat Armando Rodrigues de Sá in Deutschland nicht anhäufen können, ein Großteil der Familienersparnisse sind für die erhoffte Genesung des Kranken draufgegangen. War er in den ersten Jahren seines Gastarbeiterlebens noch zu Interviews gebeten worden – von seinem Tod nimmt in einer ökonomisch veränderten Situation kein Medium mehr Notiz. Zwar sind in den 80er Jahren Kamerateams aus Deutschland bei der Familie zu Besuch gewesen. Aber erst 40 Jahre nach dem 10. September 1964 steht Armando Rodrigues de Sá für kurze Zeit wieder ganz allein im Mittelpunkt des Medieninteresses. Alexandra Ventura Corceiro, Klaus Schmidt