: Sie hasst uns, sie hasst uns nicht
Trotz konstruktiver Vorschläge von Roland Koch ist weiter unklar, ob die Union von ihrem Blockadekurs abgeht. Die SPD plagt das Gefühl, die Union wolle sie bloß „kaputtmachen“
BERLIN taz ■ War das nun der Anfang vom Ende der Blockade der Union? Oder bleibt sie stur beim Neinsagen, wie während des Wahlkampfes in Bayern? Diese bange Frage stellen sich derzeit nicht nur die Koalitionspolitiker. Sondern offenbar auch die Union.
Noch immer ist der Kurs der Opposition kaum nachzuvollziehen. Unbestreitbar ist das Konzept, das Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestern mit seinem SPD-Amtskollegen Peer Steinbrück vorlegte, ein erster Schritt zur „großen Kooperation“ der Volksparteien über Bundestag und Bundesrat. Erstmals gibt es eine Verständigung zwischen Repräsentanten beider Lager über den fälligen Subventionsabbau. Bislang hatte die Union die Strategie gefahren, einerseits neue Schulden zu verteufeln, sich aber andererseits über Sparmöglichkeiten auszuschweigen. Laut erklärte die Union bloß, dass Hans Eichels Vorschläge nichts taugten.
Kein Wunder also, dass SPD-Fraktionsvize Joachim Poß gestern schnell reagierte: „Die Union bewegt sich“, lobte Poß und stellte zufrieden fest, dass der „Abbau von Subventionen“ in der Union nicht mehr „automatisch“ als „eine Steuererhöhung“ bewertet werde. Doch markiert diese verbale Abrüstung bereits die Wende? Daran hegt auch die SPD Zweifel. Dort fragt man sich, ob denn Koch in diesen Fragen auch „Prokura in der Union habe“. Vor allem Kochs Ansage, sein Sparplan dürfe nicht zum Finanzieren der Steuerreform verwandt werden, nährt die Skepsis.
Die oligarchische Union – hier Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel, dort Koch, dazwischen Friedrich Merz (und dann noch Edmund Stoiber) – ist derzeit kaum einzuschätzen. So war zum Beispiel das Vorziehen der Steuerreform um ein Jahr ursprünglich eine Idee der Opposition. Als die Konjunktur immer schwächer wurde und die Koalition dem politischen Druck nicht mehr standhalten konnte, übernahm sie den Vorschlag. Nach ein paar Tagen Konfusion entschied sich die Union schließlich dagegen. Zumindest gegen die vorgeschlagene Finanzierung überwiegend durch Neuverschuldung und Privatisierung. Ein eigener Vorschlag? Fehlanzeige. Im Zweifel hält die Union lieber still.
Doch nun basteln gleich zwei Unionspolitiker an einer Steuerreform – und dann gleich am ganz großen Wurf. Fraktionsvize Friedrich Merz pusselt für den CDU-Parteitag an einem völlig neuen Steuerkonzept, das die Steuersätze noch einmal deutlich senkt, gleichzeitig die meisten Vergünstigungen abbaut und alle Einkommensarten einbezieht.
Währenddessen lud Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel am Donnerstag vier Unionschefs sowie Peer Steinbrück zu sich. Zusammen lauschten sie wohlwollend dem ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof. Dessen Modell sieht nur noch vier Arten von Steuern und einen generellem Einkommensteuersatz von 25 Prozent vor – ohne jede weitere Vergünstigung.
Nur, wie soll das funktionieren? Bislang hat noch jeder Wahlkampf mutige Reformen verhindert. Im Moment öffnet sich ein kurzes „Reformfenster“, wie es SPD und Grüne gerne nennen. Kommenden Juni geht es wieder los mit den Wahlen, angefangen mit dem Europaparlament. Es folgt eine Reihe von 13 Landes- und Kommunalwahlen. Dann wird die Union erst recht mauern.
Bis zum Frühjahr müsste also ein Kompromiss stehen. Kaum anzunehmen, dass bis dahin eine große Steuerreform anzuleiern wäre. Schon gar nicht angesichts des gewaltigen Gesetzeswustes von Rente bis Hartz. Am 17. Oktober jedenfalls wird der Bundestag über Eichels Sparpläne und das Vorziehen der Steuerreform befinden. Der Bundesrat ist am 7. November dran. Einigen SPDlern schwant, dass die Union am Ende dem Blockadespielchen nicht widerstehen kann – einfach nur, um „uns kaputtzumachen“. MATTHIAS URBACH