: Ab Frühjahr dürfen die Genpflanzen blühen
Brüssel vertagt die Entscheidung, ab wann Saatgut als gentechnisch verändert gilt, lässt aber 17 Sorten Genmais zu
BRÜSSEL taz ■ Die EU-Kommission hat gestern die mit Spannung erwartete und heftig umstrittene Entscheidung über die Kennzeichnungspflicht von genverändertem Saatgut von der Tagesordnung genommen. Grüne Politiker und Umweltverbände hatten den Plan der Kommission scharf kritisiert, Saatgut erst ab einer gentechnischen Verunreinigung von 0,3 Prozent zu kennzeichnen. Die grüne EU-Abgeordnete Hiltrud Breyer fordert einen Schwellenwert von 0,1 Prozent – noch geringere Anteile von genveränderten Saaten sind nach jetzigem technischen Stand nicht nachweisbar. Die Wahlfreiheit von Bauern und Verbrauchern sei gefährdet, so Breyer.
Die Sprecher der grünen Fraktion im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit und Monica Frassoni, hatten die scheidende EU-Kommission aufgefordert, die Entscheidung nicht während ihrer letzten Amtstage übers Knie zu brechen. „Die neue Kommission sollte eine Chance bekommen, neue Vorschläge auf den Tisch zu legen, die der öffentlichen Meinung besser gerecht werden“, sagte Frassoni.
Ob diese Rechnung aufgeht, ist fraglich. Der neue Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso gilt als Wirtschaftsliberaler. Er hat bereits deutlich gemacht, dass ein starker Wirtschaftsstandort EU für ihn oberste Priorität hat. Die engagierte schwedische Umweltkommissarin Margot Wallström soll in der neuen Kommission für Medienarbeit zuständig sein. Ihr Ressort übernimmt der griechische Jurist und Ökonom Stavros Dimas, der bislang nicht als Umweltexperte bekannt ist.
Ein Sprecher von Romano Prodi sagte gestern, die Kommission habe das Thema vertagt, da die wirtschaftlichen Folgen der Kennzeichnungspflicht nicht ausreichend untersucht seien. Man werde entsprechende Studien abwarten. Voraussichtlich könne erst die neue Kommission zu einer Entscheidung kommen. „Wir haben uns nie um solche Entscheidungen gedrückt, auch wenn sie kompliziert waren“, sagte Reijo Kemppinen. Schließlich sei es die Prodi-Kommission gewesen, die das Gesetzespaket zur Kennzeichnungspflicht von genveränderten Lebensmitteln auf den Weg gebracht habe.
Die Eintragung von siebzehn genveränderten Maissorten in den EU-Sortenkatalog vertagte die Kommission nicht. Damit wird zum ersten Mal genverändertes Saatgut, das bislang nur in Frankreich und Spanien ausgebracht wurde, EU-weit zugelassen. Auch hier hatten Umweltschützer eine Denkpause gefordert. Dieser Punkt sei ohne Diskussionen durchgewunken worden, teilte der Sprecher mit. So könnte schon ab dem nächsten Frühjahr Genmais auch in Deutschland wachsen.
DANIELA WEINGÄRTNER