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Archiv-Artikel

Dosenpfand: Trittin punktet bei EU

Bundesumweltministerium und Deutsche Umwelthilfe bewerten gestrigen Start der erweiterten Rücknahmepflicht als gelungen. Viele Kunden durchschauen die vier Systeme aber immer noch nicht oder kaufen von vornherein keine Dosen mehr

aus Berlin DANIEL SCHULZ

„Das ist doch der gleiche Mist wie vorher auch.“ Bernd Lorentz versuchte gestern am ersten Tag der erweiterten Rücknahmepflicht seine Eisteedosen bei Edeka loszuwerden. Die Handelskette verkauft zwar Blech, nimmt es aber nicht zurück. „Ich verlange von Ihnen kein Pfand, Sie kriegen von mir kein Geld“, erklärte die Kassiererin, wie Edeka mit dem Dosenpfand umgeht.

Dabei sollten ab gestern eigentlich alles anders werden: Die Ausnahmeregelungen sind ausgelaufen. Alle Läden, die Dosen oder Einwegflaschen verkaufen, müssen Verpackungen „gleicher Art, Form und Größe“ auch wieder zurücknehmen. Mit den neuen Regeln sei ein Ende des Pfandchaos erreicht, versprach Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne): „Es gibt 130.000 Stellen in Deutschland,an denen man Einweg abgeben kann.“

Testkäufer der Deutschen Umwelthilfe schwärmten gestern aus, um dies zu prüfen. Ergebnis: Kein Chaos, die Rücknahme klappe gut, so Geschäftsführer Jürgen Resch. Auch die „Insellösungen“ der Handelsketten funktionierten. Große Discounter nahmen nämlich gängige Einwegverpackungen aus den Regalen und verkauften spezielle Eigenkreationen – wie die bauchige Aldi-Flasche. Chaos herrschte in den Läden gestern wirklich nicht, dafür Resignation. „Aus Dosen trinke ich nicht mehr“, sagt Penny-Kunde Gernot Wagener. Wenn man Dosen bei Aldi oder Plus nicht abgeben könne, sei das Pfand sinnlos.

Aber auch bei kleinen Läden ist die Rückgabe nicht einfach. Geschäfte mit weniger als 200 Quadratmeter Fläche müssen nämlich nur die Einwegverpackungen zurücknehmen, deren Marken sie auch verkaufen. Und selbst das ging gestern an vielen U- und S-Bahn-Kiosken nicht. Manche Verkäufer nahmen nur die Dosen, die sie auch selbst verkauft hatten. Andere starrten Kunden wortlos an, bis sie mitsamt Dose wieder verschwanden. Wenn etwas zurückgenommen wurde, ging das wie bisher meist nur mit Pfandbon. Man müsse sich eben absichern, sagten die Verkäufer an Kiosken und Tankstellen. Ohne Zettel konnten gestern nur die Dosen mit neuen Pfandkennzeichen abgegeben werden. Doch von denen gab es nicht genug, weil einige Hersteller zu wenig neue Dosen geliefert hatte. „Ehe ich mir den Stress gebe, kaufe ich lieber Mehrweg“, meint eine Kundin.

„Die Dose ist tot“, sagt Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels. Die neuen Regeln hätten alles nur noch unübersichtlicher gemacht. Jetzt müsse Brüssel einschreiten und Trittin stoppen. Pfandgegner hoffen auf den Europäischen Gerichtshof, bei dem zwei Verfahren anhängig sind. Geklagt wird, weil ausländische Getränkeabfüller sich wegen der langen Transportwege durch die Bevorzugung von Mehrwegsystemen benachteiligt fühlen. Das Umweltministerium hält dagegen, dass Getränke-Importeure durchaus Einwegverpackungen anbieten dürfen – sie müssten nur ein Pfand erheben und für das Recycling sorgen. Die EU-Kommission, die bereits 2001 geklagt hatte, will sich in drei Wochen erneut mit dem deutschen Pfand befassen. In EU-Kreisen hieß es, Kommissionspräsident Romano Prodi habe auf Wunsch Deutschlands darauf gedrängt, der Bundesregierung mehr Zeit zu geben.

Eine Klage droht auch den großen deutschen Lebensmittelkonzernen. Die Initiative Pro Mehrweg hat laut Tagesspiegel einen entsprechenden Antrag bei EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti gestellt. Pro Mehrweg wirft den Konzernen – mit Ausnahme von Spar – vor, sich abgesprochen zu haben. Sie hätten Einwegverpackungen mit dem Ziel abgschafft, das Pflichtpfand zu kippen.