: Editorial: Tag der deutschen Heimat
Flüchtlinge gehören zu uns. Auch am 3. Oktober. Während morgen in Magdeburg die Deutschen ihre Einheit feiern, setzen sich Kirchen, Verbände und Menschenrechtsgruppen am „Tag des Flüchtlings“ für ein Bleiberecht von Flüchtlingen ein. Doch ihr Thema wird kaum noch wahrgenommen. Die Informationsgesellschaft ist eher mit „Florida-Rolf“ und Rudi Völler beschäftigt. Hier entsprechen sich das Versagen der Medien und das Versagen der Politik. Dieses Desinteresse macht dann auch die Debatte um die Zukunft der sozialen Systeme und der demografischen Entwicklung der Gesellschaft unvollständig.
Die taz lebt seit ihrer Gründung davon, Themen aufzugreifen, die die anderen Medien wenig oder gar nicht interessieren. Pro Asyl kämpft dafür, dass sich die konkrete Situation der Flüchtlinge verbessert. An dieser Stelle haben sich taz und Pro Asyl getroffen. Beide haben für eine Zeitungsausgabe eine Kooperation beschlossen, auch wenn klar war, dass es eine Gratwanderung zwischen der journalistischen Unabhängigkeit der taz einerseits und den berechtigten Erwartungen des Interessenverbandes für Flüchtlinge, Pro Asyl, andererseits werden würde.
Wir haben uns der Herausforderung gestellt. Pro Asyl hat Unterstützung geleistet durch die Finanzierung eines Teils der Druckkosten und der Bereitstellung von Informationen. Die taz wiederum hat unter Wahrung ihres redaktionellen Selbstverständnisses das gemeinsame Konzept journalistisch umgesetzt.
Das zwölfseitige Dossier „Tag der deutschen Heimat“ behandelt das Thema Flüchtlinge auf drei Ebenen: national, europäisch und weltweit. So streiten sich Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, und Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt über die rot-grüne Flüchtlingspolitik. Die Situation der Flüchtlinge weltweit wird auf einer Doppelseite dargestellt. taz-Autor Christian Rath geht in einem provokanten Beitrag der Frage nach: Was ist überhaupt ein Flüchtling? Weitere Themen dieser Ausgabe sind: die europäische Flüchtlingspolitik, das Problem Arbeitsmarkt, die drohende „Rückführung“ afghanischer Flüchtlinge und die Entfremdung von Dissidenten im Exil.
Die Fotos in diesem Dossier hat Bernd Hartung (36) gemacht. Der Fotograf, der seit 1996 in Berlin lebt, hat Flüchtlinge vor den Sehenswürdigkeiten Berlins im Bild festgehalten: Alexanderplatz, Reichstagskuppel, Brandenburger Tor. Orte, die Touristen als Kulisse für ein unbeschwertes Erinnerungsfoto dienen, werden für die Flüchtlinge zur ungewohnten Umgebung. Inmitten der Touristen in den Mittelpunkt gerückt zu werden, an Orten, an denen sie sonst nicht unbedingt auftauchen. Sie leben erst seit einigen Jahren in Deutschland, sie sind höchstens geduldet. Wir danken ihnen für ihre Mitarbeit an dem Fotoprojekt. Entstanden sind Bilder wie das Titelfoto mit der Kenianerin Bethi Murriithi vor dem Alten Museum in Berlin. Sie sagt: „Deutschland ist meine Heimat.“
Das Dossier ist nur eine Etappe unserer Berichterstattung. Das Thema wird uns noch lange begleiten.
Bascha Mika, taz-Chefredakeurin