Finanzierung von Grundbedürfnissen

Weltweit arbeiten 250 Millionen Kinder zwischen fünf und vierzehn Jahren – mindestens die Hälfte von ihnen den ganzen Tag. Dabei gilt: Je ärmer ein Land, desto höher der Anteil jobbender Kinder.

In Staaten, in denen das jährliche Pro-Kopf-Einkommen weniger als fünfhundert US-Dollar beträgt, stellen die Zehn- bis Vierzehnjährigen bis zu zwei Drittel der Erwerbstätigen. „Die Abschaffung der Kinderarbeit ist eine der dringendsten Herausforderungen unserer Zeit“, formuliert die Internationale Arbeitsorganisation ihr Ziel.

Kinderarbeit ist traditionell mit Ausbeutung und Notlage assoziiert. Tatsächlich geht es in den ganz armen Ländern fast ausschließlich um die Finanzierung von Grundbedürfnissen.

Doch weltweit werden immer mehr Kinder auch deshalb erwerbstätig, um ihre persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen – gemeint sind vor allem Handys und Markenklamotten. Siebenhunderttausend Kinder arbeiten allein in Deutschland, schätzt der Kinderschutzbund.

Hinter der Forderung nach Abschaffung von Kinderarbeit steht eine paternalistische Vorstellung von Kindheit, wie sie im Europa des 19. Jahrhunderts geprägt wurde, kritisiert Manfred Liebel von der TU Berlin. Seit langem recherchiert der Erziehungswissenschaftler, wie Kinder ihre Arbeit einschätzen und was sie für ihr Leben bedeutet.

Liebel plädiert für einen differenzierten Blick, der Kinderarbeit nicht sofort mit Steinbruch, Prostitution und Sklaverei assoziiert. Ein grundsätzliches Verbot hält er für den falschen Weg. Zum einen drängt es die Mädchen und Jungen in einen rechtlosen Raum, in dem Missbrauch und Ausbeutung erleichtert werden. Zum Zweiten entspricht es nicht den Wünschen vieler arbeitender Kinder, die sich zur Bewegung der arbeitenden Kinder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas (NATs) vernetzt haben.

Die Forderungen der NATs: gesellschaftliche Anerkennung, eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, Zugang zu Bildung und politische Partizipation. AJE