: Im Netz der Bildung
Nach überstandenem Hindernislauf über Anglizismen und Computerfachbegriffe bleibt als Fazit: Die digitale Fernlehre ist eine reelle Möglichkeit der Weiterbildung im virtuellen Raum
von HOLGER SCHLEPER
„Online-Chat, mittwochs, 16 bis 18 Uhr sine tempore.“ Ungewöhnlich liest sich die Seminarankündigung, angeboten vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg im Januar dieses Jahres. Tatsächlich treffen sich hier im virtuellen Projektraum, dem „Global Classroom“, Studierende aus Hamburg, Toronto und Bologna und haben die Möglichkeit, über juristische Fragen zu fachsimpeln und gemeinsam Seminararbeiten zu entwickeln. E-Learning hat sich als wertvolle Ergänzung des Hochschulstudiums etabliert.
Über 2.300 E-Learning-Projekte werden bereits an deutschen Hochschulen angeboten – einen Überblick bot zu Beginn dieser Woche der Kongress zur digitalen Fernlehre an der Uni Hamburg. Die Universitäten erweisen sich als Keimzellen der digitalen Lehre, doch ist der virtuelle Wissenserwerb keineswegs auf Studierende beschränkt. Vielmehr drängen zahlreiche Hochschulprojekte darauf, auf dem Weiterbildungsmarkt Fuß zu fassen. Diese Ausweitung wird nicht zuletzt deshalb ins Auge gefasst, weil die staatliche Förderung des digitalen Lernens allmählich zur Neige geht, und somit gewinnbringende Märkte außerhalb der Universität erschlossen werden müssen.
Die Hamburger Universität bietet als eines von zahlreichen Projekten „OLIM – Online Perspektiven für das weiterbildende Studium“ an. Wiebke Schmalz, beschäftigt in der Abteilung Aus- und Fortbildung beim NDR, nimmt an diesem Fernstudienangebot teil. Ihr Studium umfasst dabei unter anderem die Bereiche Arbeits- und Organisationspsychologie. „Das Gute ist, dass ich mich neben meiner Berufstätigkeit fortbilden kann. Ich kann immer lernen, wann ich will.“ Ein Vorteil an Flexibilität, den auch Ulrich Schmid, Geschäftsführer des MultimediaKontors Hamburg (MMKH), einem Joint-Venture der sechs Hamburger Hochschulen zur Entwicklung und Vermarktung des akademischen E-Learnings, hervorhebt. „Digitales Lernen bietet einen besseren zeitlichen Zugriff, aber auch eine hohe didaktische Qualität“, sagt Schmid. „Man begreift Dinge einfacher, wenn sie visualisiert werden können.“
Dem kann der Bewegungswissenschaftler Reinhard Daugs nur zustimmen. „Sport schreit nach multimedialer Darstellung“, sagt der Leiter des Projekts E-Learning in der Bewegungs- und Trainingswissenschaft (eBuT). Im Gegensatz zum Lehrbuch lassen sich am Bildschirm Bewegungsabläufe realistisch darstellen und Simulationen sind programmierbar.
Doch bei allen Vorteilen des E-Learnings, ersetzen kann es traditionelle Lehrformen nicht. „Allein im Netz Lehrinhalte zu vermitteln ist kontraproduktiv“, sagt Stefan Ramaker vom MMKH. Vielmehr sei eine Mischform aus Präsenz- und Fernlehre die beste Lösung.
Dabei kann gerade die digitale Fernlehre den weniger PC-affinen Studienanwärtern zunächst schleierhaft erscheinen. Die Lernplattform CommSy beispielsweise, die seminarbegleitende virtuelle Projekträume ähnlich dem Global Classroom entwickelt, schreibt in ihrem auf dem Kongress verteilten Flyern Folgendes: „Als Servertechnik benötigt CommSy einen Web-Server mit der Skriptsprache PHP und die Datenbank MySQL. Optional kann ein LDAP-fähiger Directory Server die Verwaltung von Zugangsberechtigungen übernehmen.“ Der Hürdenlauf über Anglizismen und Abkürzungen erweist sich aber oft weit weniger schwierig als befürchtet. „Man muss kein Informatiker sein, um das Ganze zu verstehen“, meint Ramaker. Denn interessierten Nutzern wird der richtige Medienumgang durch die Anbieter selbst ausreichend vermittelt. Matthias Finck, Mit-Entwickler von CommSy, stellt bestätigend fest, dass die virtuellen Seminare eben nicht nur von Informatikern, sondern auch von Pädagogen und Sprachwissenschaftlern angenommen werden.
Als Belohnung winkt ein Weiterbildungsabschluss, der Anerkennung findet. „Arbeitgeber wissen die Doppelbelastung, die man auf sich genommen hat, zu schätzen“, sagt Wiebke Schmalz. Zudem erlange man eine weitere Schlüsselqualifikation. Immerhin zeugt ein Abschluss in einem auch digital erlerntem Fach von einem sicheren Umgang mit neuen Medien.