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Archiv-Artikel

Der Blickelenker

Der Bremer Arthur Zapf ist Stadtführer und Künstler. Bei beiden Tätigkeiten geht es ihm vor allem um eines: Das Unsichtbare sichtbar zu machen

„Mich interessiert der Blick hinter die Hauptsache, das Fokussieren von Nebensächlichkeiten, die man leicht und so gern übersieht“

Ein kleines Menschengrüppchen steht am Schütting und starrt auf das Straßenpflaster. Hin und wieder blicken die Leute auf und tauschen irritierte Blicke. Dann heften sich ihre Augen hilfesuchend auf einen in ihrer Mitte aufragenden, schwarz gewandeten Mann, dessen Augen unter buschigen, eng beieinander stehenden Brauen belustigt funkeln. Er plaudert in lockerem Ton, mit weit ausholenden Gesten und süffisantem Mundwinkelzucken.

Der Bremer Arthur Zapf hat als Stadtführer eine besondere Gabe: Er macht „Unsichtbares“ sichtbar. „Hier befand sich also der erste Hafen Bremens, direkt am Markt“, erklärt Zapf, während sich die Gruppe langsam weiter Richtung Schnoorviertel bewegt; immer entlang des ehemaligen Verlaufs der Balge, dem rechten Nebenarm der Weser, auf dem noch bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Eeken – kahnähnliche Boote, die kleinsten nur 80 Zentimeter breit und 3,50 Meter lang – schipperten. Sie dienten dem Transport von Waren und Personen.

Arthur Zapf schildert das damalige emsig bunte Treiben auf dieser Wasserstraße. Packhäuser waren dicht an dicht auf den Uferböschungen gebaut, und wenn Zapf redet, glaubt man es zu hören: das Rufen der Kahnschiffer, das Feilschen der Kaufleute und Händler, das Stöhnen der Lastenträger. Und man glaubt es zu riechen, wie die heute unsichtbare Balge im Laufe der Jahrhunderte immer mehr zur Kloake wurde.

Zudem weht ein Pesthauch über Bremen, der Frösteln macht. Die Stadtväter beschließen 1834: Die Flußarme werden zugeschüttet. Staunen. Es stellt sich heraus: Die Stadt ist quasi „auf Wasser gebaut“. Denn nicht nur die Balge wurde verfüllt, sondern auch der Dobben und der Kuhgraben, die in die Wümme mündeten.

Lediglich Straßennamen und spärliche, leicht übersehbare Pflastermarkierungen weisen heute noch auf deren damalige Existenz hin. Das sind dann auch die wenigen Spuren, an denen sich Zapf entlang hangeln kann. Intensive Archivrecherche, unzählige Gänge durch die Stadt und Gespräche mit Anwohnern gingen dem Vortrag des Künstlers voraus. Wie nun, Stadtführer oder Künstler? „Beides“, betont der 48-Jährige. Seine individuellen Führungen „art.tours“ überschneiden sich mit seiner künstlerischer Arbeit.

Tatsächlich wirken Zapfs Linolschnitte – zumeist von Gebäuden –, die er mit einer ganz speziellen Drucktechnik aufbereitet, wie ein Brennglas auf Details. „Mich interessiert der Blick hinter die Hauptsache, das Fokussieren von Nebensächlichkeiten, die man leicht und so gern übersieht.“ Gerne arbeitet er auch mit übereinander liegenden Schichten, die er transparent lässt. So entstehen Konglomerate von Stadtansichten, die gerade durch ihre Reichhaltigkeit darauf Zielen, Einzelheiten sichtbar zu machen.

Genau diesen Ansatz also nutzt Arthur Zapf auch während seiner Stadttouren Und er entpuppt sich dabei sowohl als humoristischer Erzähler, denn auch als Blickelenker. Selbst aus dem Augenscheinlichen holt er noch neue Einsichten. Im Oktober bietet Zapf Führungen im Rahmen des Ausstellungsprojekts „Niemand ist eine Insel“ an – mit einem Fokus auf die öffentliche Kunst. Unter dem Titel „Legenden und Kunst in der Stadt“ führt Zapf durch die Innenstadt; und um das Buntentor geht es bei der Führung „Ackerbürger und Selbstversorger“.

Bei unserer Führung ist die veranschlagte Tour-Zeit längst überschritten. Fragen prasseln auf Arthur Zapf nieder. Der muss manchmal lachend abwehren, denn einiges ist auch ihm neu. Für den Künstler im Stadtführer ist das ein netter Nebeneffekt: „Jede Führung inspiriert mich.“

Daniela Barth

nächste Führungen am 11. Oktober um 11 und 14 Uhr. Übersicht unter: www.arttours-bremen.de, Anmeldung unter ☎ 0421/79 01 19 05