: Kleine Kisten statt große
Mit der geteilten Hauptstadt Berlin-Bonn soll Schluss sein, sagen die Grünen und fordern einen neuen Gesamtumzug aller Ministerien. Doch diese sollen Termin, Umfang und die Kosten selber bestimmen
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Am Thema Dosenpfand soll es nicht liegen, sagt Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne). Ob man es glauben kann, sei einmal dahingestellt. Fakt ist, dass nur 25,4 Prozent seiner im Bonner Umweltbundesministerium ansässigen Mitarbeiter „motiviert“ sein sollen. Immerhin, könnte man meinen, fand doch die Umfrage im Ministerium zugleich heraus, woran die schlechte Berufsauffassung krankt – nämlich an der Trennung der beiden Dienstsitze. Es gäbe massive „Rivalitäten“ zwischen den abgehängten Bonner und hauptstädtischen Berliner Beamten. 43 Prozent der in Berlin Arbeitenden seien motiviert. „Reibungsverluste“ und „unübersehbare“ Hindernisse bei der doppelten Amtssitzführung behinderten die Arbeit, so das grüne Ministerium. Die Konsquenz: Der Grünen-Politiker und weitere Parteimitglieder beklagen nicht nur den Effizienzverlust durch beide Standorte. Vielmehr wird ein neuer Umzugsplan für alle Ministerien angeregt.
Vier Jahre nach dem Umzug von Parlament und Regierung fordern die Grünen erneut den Komplett-Umzug der in Bonn verbliebenen sechs Ministerien. Und der Trittin-Bericht kommt dabei gerade recht. Nach Ansicht von Franziska Eichstädt-Bohlig, baupolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, sei es notwendig, alle Minister, Beamte und Angestellte langfristig an die Spree zu binden. Einen zentral organisierten zweiten Umzug solle es aber nicht geben, sagte sie am Sonntag. Die Ämter könnten stattdessen nach und nach übersiedeln.
„Die Ministerien sollten künftig selbst entscheiden, wo sie ihren Sitz haben und wie stark sie dort vertreten sind“, sagte die Bauexpertin. Ebenso wie Trittin bemängelt Eichstädt-Bohlig, dass die Führung der Ministerien und Spitzenbeamte vom Hin und Her zu stark betroffen seien. Kräfte und Zeit verschlissen die Mitarbeiter, „die oft am falschen Ort und zwischen den Städten sind, wenn sie aber in beiden gebraucht werden“. Die Mittel für den Umzug sollten die Ministerien aus ihrem Etat selbst erwirtschaften oder mit Finanzminister Hans Eichel direkt aushandeln.
Unterstützung erhalten die Grünen vom Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke. Kein Land würde sich den „Luxus“ von zwei Regierungsstandorten leisten. Weil politische Zusagen dies jedoch regelten, sollten wenigstens alle relevanten Ministerien nach Berlin.
Im Bonn-Berlin-Gesetz war die Aufteilung niedergelegt worden. Danach verbleiben in Bonn sechs Kopfstellen, darunter das Bundesumwelt-, das Verteidigungs-, Entwicklungshilfe- oder Verbraucherministerium. In Berlin sind für diese Ministerien so genannte „zweite Dienstsitze“ angesiedelt worden. Noch immer arbeiten in Bonn mehr Mitarbeiter in Ministerien als in Berlin – nämlich rund 11.500 im Vergleich zu rund 8.000. Weil viele Bonn-Bedienstete immer wieder den gesamten Regierungs-Umzug anmahnten, war in der Vergangenheit regelmäßig der Rutschbahn-Effekt nach Berlin thematisiert worden.
Bundesbauminister Manfred Stolpe (SPD) – oberster Umzugsbeauftragter der Regierung – will sich nach der Maut-Pleite nicht auf weiteres unsicheres Terrain begeben. Einem Komplettumzug, dem Teilumzug oder dem Nachrücken von wichtigen Ämtern erteilte er eine Absage. Eine „Totalverlagerung“ würde nochmals Kosten in Milliardenhöhe verursachen, sagte Stolpe. Der Bundesrechnungshof habe die Ausgaben für die geteilte Hauptstadt mit zehn Millionen Euro veranschlagt. Außerdem funktioniere nach Anfangsproblemen heute die Zusammenarbeit zwischen Bonn und Berlin.